by J Krautz — Diese zielt. v.a. auf die indirekte Steuerung von Bildung und Bildungswesen: Eine seit den 1960er Jahren schleichend etablierte technologische Pädagogik und

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Jochen Krautz Ökonomisierung als Steuerung von Schule , Bildung und Demokratie Phänomene, Systematik, Alternative n Zusammenfassung Unter Ökonomisierung wird oft das Einführen von ökonomische n Kriterien in das Bildungswesen verstanden . Demnach führen wirtschaftliche Interesse n dazu, Bereiche der öffentlichen D aseinsvorsorge private r Gewinnerwirtschaftung zugänglich zu machen. Der Beitrag argumentiert , dass gegenüber dieser äußeren Ökonomisierung in den deutschsprachigen Ländern die innere Ökonomisieru ng weitaus bedeutsamer ist. Diese zielt v.a. auf die indirekte Steuerung von Bildung und Bildungswesen: Eine seit den 1960er Jahren schleichend etablierte technologische Pädagogik und Didaktik untergräbt zunehmend pädagogische s Ethos und pädagogische Freih eit . Methoden des Change – Managements setzen Reformprozesse manipulativ durch. Postdemokratische Governance entzieht das Bildungswesen zunehmend der demokratischen Selbstbestimmung. Stichworte endogene Ökonomisierung, technologische Pädagogik und Didaktik, Change – Management, Governance Summary Economization is often understood as the introduction of economic criteria to the educational system. Thus, economic interest leads to making areas of pu blic services accessible for private profit generation. This paper argues that in contrast to this outer economization in the German – speaking countries the inner economization is far more significant. It aims particularly at the indirect control of educati on and of the educational system: Since the 1960s subtly – implemented technological pedagogics and didactics increasingly undermine the pedagogical ethos and pedagogical freedom. Change management techniques carry reform processes through manipulatively. Po st – democratic governance withdraws the educational system progressively from democratic self – determination. Keywords endogenic economization, technological pedagogics and didactics, change management, governance erschienen in: Gerhard Scheidl/Heribert S chopf (Hrsg.) : Ökonomisierung und Digitalisierung. Sargnägel der Bildungsreform? ! Wien: Löcker 20 20

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Aufgrund vielfältiger Kritik ist die Ökonomisierung von Bildung mittlerweile zu einem auch öffentlich diskutierten Problem geworden . So belegt zuletzt Richard Münch (2018, S. 297) – Industrie anhand des Beispiels der USA umfangreich und konkret. Zurecht spricht er daher von einem Und Münch schließt treffend, da ss die Umsetzung 345). Nun ist für die Situation der deutschsprachigen Lände r allerdings zu bemerken , dass entgegen auch der Annahme des Auto r s (vgl. Krautz 2007) die von Münch beschriebene Privatisierung und Kommerzialisierung von Bildungsdienstleistungen tatsächlich weitaus weniger bedeutsam ist als etwa in den USA. Gleichzeitig wurden trotzdem massiv ökonomische K riterien und Steuerungselemente aus Managementlehren in das Schulwesen implantiert . Diese folgen somit einer ökonomischen Logik, obwohl es dabei nicht um wirtschaftliche Ziele im Sinne monetärer Gewinne g eht . Offenbar haben ökonomistische Verfahren der Steuerung von nichtökonomischen gesellschaftlichen Bereichen also einen eigenen Sinn, der nicht in der Profiterwirtschaftung privater Interessenträger aufgeht. Der ein Bildung steuernder und usurpierender Komplex. Der Beitrag möchte daher zeigen, wie diese ökonomistischen Logiken sich an alltäglichen Phänomenen zeigen, worauf sie zielen, wie demnach Ökonomisierung von Bildung systematisch zu verstehen ist, wie diese in d er Realität durchgesetzt wird und welche Folgen das für Schule, Bildung und Demokratie hat . Dabei wird die These verfolgt , dass iesem Sinne vor allem Steuerung bedeutet: D ie indirekte oder verdeckte Steuerung von Schule und Unterri cht und der darin Handelnden , was deren professionelle Selbstbestimmung und die demokratische Legitimation von Bildungspolitik unter gräbt . Ökonomisierung hat insofern weniger mit Gewinnertrag als mit illegitimer Herrschaft zu tun. Vor diesem Hintergrund wi rd abschießend auch nach A lternativen zu fragen sein. 1 Phänomene: Gesteuerte Bildung Doch mögen einleitend drei Beispiele daran heranführen, wie sich das abstrakte Konzept 1.1 Steuerung durch Autonomie und Wettbewerb An deutschen weiterführenden Schulen herrscht jeweils im Spätherbst eines Jahres hektische Betriebsamkeit . Es finden die sogenannten . D ie Schulen präsentieren sich Eltern und ihren von d er Grundschule abgehenden Kindern mit einer umfangreichen Darbietung an fantasievollem , spektakulären, unterhaltsamen und um keine n Preis m Probeunterricht. Im Schulgebäude wird auf gebastelten Stellwänden und Power – Point – Präsentatione n dargeboten , was die Schule alles an AGs, Fördermöglichkeiten für Starke und Schwache, MINT – Initiativen, internationalen Austauschprogrammen, Kreativ – Workshops u.a.m. zu bieten hat . Es wird das gesunde Frühstück genauso angepriesen wie ein Agenda – 21 – Programm und die Streitschlichterfortbildung. Hinzu kommt ein aufwändiges Programm, in dem Tanz – AG, Chor,

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Big – Band und Theater gruppe für Unterhaltung sorgen. Manch einem Elternteil, das kurz innehält, fällt noch auf, dass man selbst von den eige nen Eltern schlicht an der nächstgelegenen Schule angemeldet wurde, die man gut erreichen konnte . Aber der Gedanke verflüchtigt sich unter dem wachsenden Eindruck, nun aber doch das allerbeste Diese hier schon reduzierte Skizze eines äußerlich absurden Schauspiels ist ein typisches Produkt künstlich erzeugter, faktisch völlig unsinniger Wettbewerbslogik: Auslöser war das bauernfängerische Versprechen der Bildungsadministration, man wolle Schulen mehr Doch währte die Freude darüber, endlich die Gängelung der Schulaufsicht los zu sein, nicht lange. Denn nun mussten Schulen sich per Output – Kennziffern wie Schülerzugangszahlen und A bschlussnoten Wettbew immer mehr zu einem so dilettantischen wie absurden Selbstdarstellungszwang auswuchs. Der Logik der Werbung folgend gerät dabei das anstrengende Kerngeschäft von Schule, nämlich U nterricht, immer weiter an den Rand. Vermarktet werden stattdessen Events und bunte Blasen. In der Folge verstehen sich Schule n zunehmend als Anbieter von Bildungsdiensten , die ihre Produkte am Bei Eltern wiederum erzeugt od er verstärkt dies den Wunsch, die Schule so auszuwählen, dass ihr Kind am besten umsorgt ist und am weitesten kommt. Sie werden zu Abnehmern von Bildungsleistungen. A uch wenn dies beiden Seiten kaum bewusst wird, gerät Bildung zum Humaninvestment. Und gemäß der Wettbewerbslogik folgt nun auch die Schule dem Unterbietungs kampf der Supermärkte und landet bei Discounter – Angeboten So werden tatsächlich zunehmend nicht die Schulen gewählt, die die höchsten Ans prüche stellen, sondern die, die garantieren, dass das eigene Kind den höchsten Schulab schluss erhält . Die Folgen solcher Pseudo – Märkte 1 lassen sich zusammenfassen: Erzeugung von Interessen und E Bildung als Humaninvestment und Discounter – Dienstleistung Verschwinden von Unterricht und Erziehung als Kernaufgabe n der Schule Entsorgung von Bildung als Frage von Mündigkeit, Humanität und Kultur Überlastung der Lehr er durch unterrichtsferne Aufgaben ( Schulprogramme, Internetauftritte, PR, Zusatzangebote etc.) . Obwohl es also an keiner Stelle in diesem Prozess um Geldleistungen oder monetäre Profite geht, schlägt die Logik des ökonomischen Wettbewerbs auf Schule und Eltern durch. Sie fügen sich einem scheinbaren Zwang, der so beider Selbstbestimmung im Ausfüllen von Erziehungsauftrag und Bildungsverantwortung untergräbt und sie einer unsichtbaren Steuerung unterwirft. 1 Die man aufgrund der fehlenden Kriterien wie die Eliminierung von Konkurrenten durch Bankrott, die Objektivierung der Leistungen, um Preissignale bilden zu können und den Rückzug des Staates aus der – kann (vgl. Schweizer 2018, S. 159).

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1.2 Evaluation und Qualitätsmanagement als Steuerungsinstrument e (Krautz/Burchardt 2018) befindet sich unter den gesammelten Fallbeispielen auch der Bericht eines Gewerkschaftsvertreters aus Österreich. Dieser berichtet von folgendem Gespräch mit einer b ildungspolitisch verantwortlichen Person zum Thema Kompetenzen im Unterricht : Als die Probleme mit dem kompetenzorientierten Unterricht und die diesbezüglichen Bedenken der LehrerInnen angesprochen werden, lächelt die bildungspolitisch verantwo rtliche Person und meint, dass sie Experten für diesen Bereich habe und nicht auf die Meinung von LehrerInnen bzw. der Gewerkschaft angewiesen sei. Es gebe leider immer wieder LehrerInnen die meinten, sie wüssten es besser. In das Schulsystem werde viel Ge ld Kinder und LehrerInnen sei, antwortet die bildungspolitisch verantwortliche Person: Die wenig subtile Dreistigkeit, mit der Lehrerinnen und Lehrern hier ihre professionelle Verantwortung für den eigenen Unterricht abgesprochen wird, offenbart recht deutlich , worum es bei Evaluationen geht. Gerne wird diese als neutrales Tool des aus der Wirtschaft übernommenen Qualitätsmanagements beschrieben. Tatsächlich geht es schlicht um Steuerung und Kontrolle: Lehrerinnen und Lehrer sollen nicht tun, was sie aus begrün deter Überzeugung und professioneller Erfahrung für richtig halten, sondern ausführen, was ihnen vorgeschrieben wird. Hier durchmischt sich insofern die ökonomistische Steuerung per Input – Output – bzw. Kosten – Nutzen – Logik mit alter obrigkeitsstaatlicher Disziplinierungsmacht. Allerdings wird der weitere Text zeigen, dass die staatlichen Vorgaben ihrerseits nicht mehr demokratisch legitimiert, sondern Wirkungen transnationale r Steuerungsmechanismen sind. Sie setzen also ökonomistische Regulative insbesonde re der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in die Wirklichkeit der Schulen um. 2 Zusammenfassend lässt sich für Evaluation und Qualitätsmanagement als Steuerungsinstrumente festhalten: Output – Kriterien als Qualitätsmerkma le Evaluation als Durchsetzungsmechanismus von externen Vorgaben Entmündigung der Lehrerinnen und Lehrer als Experten indirekte Steuerung durch Herrschaft der Kennziffern verdecktes autoritäres Regime statt demokratische r Bildungsverantwortung. Auch hier bei Doch wiederum unterwerfen diesmal Management – Tools Unterricht und Bildung einer ökonomistischen Logik, ohne dass diese unmittelbar augenfällig würde. 2 Österreich etwa Schulautonomie und Schulinspektion als Instrumente der Schulsteuerung (Governance) bearbeitet we rden: http://www1.oecd.org/education/ceri/strategic – education – governance – austria – learning – seminar.htm (2019 – 03 – 21).

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1.3 Der s elbstgesteuerte Lerner als unternehmerisches Selbst Das dritte Beispiel scheint den Okkupationsbereich der ökonomischen Logik gänzlich zu verlassen. Denn auch in reformpädagogisch inspirierten Kreisen gilt das sog. methodisch einzulösen: Schüler sollen nicht mehr dozierenden Lehrer abhängig sein, sondern be tragen ihren i n Testaufgaben ermittelten Kompetenzfortschritt selbst in entsprechende Raster rein. Das Verfahren gilt mittlerweile als Königsweg, um die wachsende Heterogenität von Schulklassen in den Griff zu bekommen und verspricht zugleich mit einem lernorgani satorischen Arrangement zu lösen, w as eine grundlegende Antinomie der Pädagog ik darstellt: “Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?”, wie Immanuel Kant (1803, S. 27) formulierte. Doch bei genauerem Hinsehen verfliegt der Zauber der einfachen Lösung : Unterricht läuft wie im Großraumbüro einer Lernfabrik ab. Das daraus erwachsende Chaos löst man inzwischen, indem den Schülerinnen und Schülern Lärmschutzkopfhörer zur Verfügung gestellt werden (vgl. Kaufmann 2017). Die Steuerung, die die Schülerinne n und Schüler mit ihren Arbeitsblättern exekutieren, ist keineswegs die eigene. Sie folgen nur den verdeckten Imperativen des Materials. Die pädagogische Autorität verschwindet nicht, sondern wird unsichtbar. Die Lehrerin oder der Lehrer als verantwortliche zum Berater und Mentaltrainer, ist aber nicht mehr Instanz für Erklärung, Legitimation, Frage und Kritik. Auch die Lehrperson degradiert sich zu einem Rädchen im System: Es agieren t 2016). Die Schülerinnen und Schüler agieren nun als selbstverantwortliche Unternehmer ihres Lernerfolgs . So sieht etwa eine von der Würth – Stiftung finanzierte Schule, die komplett auf selbstgesteuertes Lernen setzt , ihr Ziel darin , en u bilden (Freie Schule Hier lässt d er reformpädagogische Anstrich den ökonomis chen Unterbau durchscheinen: Schüler sind bjektivierungstechnik des Neoliberalismus gilt (vgl. Bröckling 2007). Entsprechend diente auch die Einführung des Großraumbüros in den 1960er Jahren dazu, durch die Suggestion von mehr Freiheit und Kommunikation die Angestellten einer nun wechselseitig ausgeübten Kontrolle zu unterwerfen, um ihre Arbeitsleistung durch verdeckte Steuerung zu erhöhen (vgl. Rumpfhuber 2013). Insofern verwundert nicht mehr, dass ausgerechnet die OECD solche fordert und fördert (vgl. Krautz 2017). Tatsäch lich lösen diese Lernformen d as pädagogische Grundverhältnis auf , welches an den gemei nsamen Sachbezug in soziale r Beziehung geknüpft ist. D as Alleinbleiben mit der Sache be hindert bildendes Verstehen, die soziale Atomisierung entwurzelt und vereinsamt. Zu dem zeigt inzwischen auch empirische Forschung, dass diese Lernformen gerade die Schwächsten weiter schwäch en (vgl. Walter – Luginsland 2017). Obwohl es auch hier nicht um Monetäres geht, kontrolliert und steuert das Marktprinzip die pädagogischen Akteure, o hne dass dies zu Bewusstsein dringt. Mit reformpädagogischer Emphase wird ein Wettbewerbssystem auf dem Niveau eines radikalkapitalistischen s urvival of the f installiert einschließlich all dessen sozial atomisierenden und

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kulturnihilistischen Wi rkungen. So kann man für die marktgetriebene Selbststeuerung des unternehmerischen Lernsubjekts festhalten: Verbindung eines pseudo – reformpädagogische n Naturalismus mit neoliberaler Marktlogik Auflösung des pädagogischen Grundverhältnisses Behinderung von Bildung und Mündigkeit Individualisierung statt Individualität soziale Atomisierung 2 Differenzierung: Was heißt Ökonomisierung von Bildung? Die Beispiele können konkret zeigen, was hier nun systemat isch differenziert wird (vgl. hierzu auch Höhne 201 5 ) : Die tiefgreifende n Wirkung en der Ökonomisierung bezieh en sich nicht allein auf monetäre Gewinnerwirtschaftung, sondern auf die Ingriffnahme von Schule und Bildung und der daran Beteiligten durch indirekte Formen der Steuerung. Dabei zielt diese Steuerung wiederum nicht primär darauf, diese zu tauglichen Teilnehmern eines realen Marktes zu machen, sondern eine Herrschaftslogik durchzusetzen, die auf die Etablierung verdeckter Macht zielt. E in Schaubild fasst d ies zusammen (vgl. Übersicht 1): Übersicht 1: Zusammenhang von endogener und exogener Ökonomisierung Den Ausgangspunkt der darin aufgerissenen Systematik formuliert Stephen Ball (2012, S. 3): – liberalism is about both money and m Die vom Imperialismus der neoliberalen Theorie 3 intendierte Ausweitung der ökonomischen Logik auf alle menschlichen Lebensbereiche (vgl. Graupe 2013) hat also eine innere und eine äußere Seite : Exogene Ökonomisierung beschreibt die realwirtschaftlichen Maßnahmen wie Entstaatlichung, Marktöffnung von Bereichen öffentlicher Daseinsvorsorge für Private und mit der Arbeitsmarktliberalisierung einhergehenden Sozialabbau , mithin Formen von 3 Diese kann hier nicht differenziert werden; zu betonen ist aber, dass der frühe Neoliberalismus auch noch Strömungen des deutschen Ordoliberalismus enthielt, de r noch wusste für den Markt maßstabgebende ist nicht andersherum.

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sozialpsychologische Manipulationsmittel wie das Change – Management eine so große Rolle in der Durchsetzung der Schulreformen (vgl. Krautz/Burchardt 2018) . Im massiven Einsatz direkter und indirekter Steuerungsmittel zeigt sich ei ne grundlegende Eigenschaft der der Ökonomisierung aller Lebensbereiche zugrundeliegenden neoliberalen Theorie: Als Theorie beschreibt sie keine Wirklichkeit, sondern will diese erst erzeugen . Die Wirklichkeit, in der die neoliberale Theorie funktioniert, muss erst hergestellt werden: Was nicht ist, soll so werden ! ( V gl. Ötsch 2009, S. 15 ; Bröckling, Kraßmann, & Lemke 2015, S. 9). Die neoliberale Theorie hat also massiv normativen Charakter. Daher muss ihr Weltbild eben d es muss eine passende Scheinwirklichkeit mittels Propaganda erzeugt werden (vgl. Krautz 2012). Neoliberalismus und Propaganda gehören daher systematisch wie historisch eng zusammen (vgl. Ötsch 2009). Für das Bildungswesen hat diese Entwicklung nicht ers t seit den PISA – Studien eingesetzt , doch ist s ie seit Mitte der 1990er Jahre als Teil der neoliberalen Offensive seit dem Wegfall des Systemfeindes dominant geworden. Vorbereitet wurde dies seit Beginn der 1960er Jahre. Programmatisch hat die OECD schon 1961 bei einer Konferenz in Washington, bei der die neoliberalen Ökonomen der Chicago School of Economics mit am Tisch saßen, klar gemacht , worum es dabei eigentlich geht: geschaffen werden, der eine Nation dazu bringt, sich um den Fortschritt zu bemühen, wirtschaftlich zu denken und zu handeln. Das bedeutet nicht weniger, als dass Millio nen Menschen von einer Lebensweise losgerissen werden sollen, die seit Jahrhunderten und Jahrtausenden das Lebensmilieu ausmachte. Alles, was bisher an Schule und in der Erziehung in diesen Ländern geleistet wurde, verfolgte soziale und religiöse Ziele, di e vorwiegend Resignation und spirituelle Tröstung gewährten; Dinge, die jedem wirtschaftlichen Fortschrittsdenken glatt zuwiderlaufen. Diese jahrhundertealten Einstellungen zu verändern, ist vielleicht die schwerste, aber auch die vordringlichste Aufga (Wirtschaftswachstum und Bildungsaufwand 1966, S. 38) Die Einschränkung auf die Entwicklu n gsländer wird wenige Seiten später im Bericht mit dem Hinweis rel a tiviert, dass in Bildungsfragen auch Deutschland ein E ntwickl ungsland sei. Das man dies ein, dann ist der heutige Abbau solcher Bildun sich gut gemeinter Reformen, sondern deren Ziel. Diesem Plan entsprechend hat die OECD seit den 1960er Jahren ein Netz werk von Bildungsplanern ausgebildet und in die entsprechenden Regier ungsstellen der Länder entsandt s owie die umfassende Propaganda für die Humankapitaltheorie begonnen . I n Deutschland wurde dies e erstmalig populär vertreten in Georg Pichts berühmte r Artikelserie Vertreter an der o.g. Washingtoner OECD – Konferenz informiert (vgl. Bölling 2014). Diese wenigen Hinweise (vgl. für die historische Phase der OECD – Strategie Bürgi 2017, für die gegenwärtige Bloem 2016) verweisen darauf, dass es von Beginn an nicht (allein) um isierung monetären engeren Sinne, sondern um den totalitären Anspruch der Planung und Steuerung von ganzen Gesellschaften ging (vgl. Bürgi 2017, S. 217). Für den Bildungsbereich bedeutete dies, die Forderung nach Anpassung an die vorgegebenen Verhältni sse bis in die Meso – und Mikroebene von Schule durchzusetzen, also

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die heu tige Variante dieser auf Anpassung zielenden inneren Ökonomisierung (vgl. Krautz 2015) und . 3 Steuerungsd ispositiv: Technologische Pädagogik und Didaktik 3.1 Technologisches Dispositiv Doch wäre die Durchsetzung des ökonomischen Paradigmas in den Unterricht nicht gelungen, wenn nicht zeitgleich ab Beginn der 1960er Jahre und im gleichen Geist von Planung und technologischer Steuerung tiefgreifende Umbauten am Verständnis von Pädagogik und Didaktik stattgefunden hätten. Was mancher noch als die übliche Erzählung vom Widerstreit didaktischer Modelle (bildungstheoretische vs. lerntheoretischer Didaktik etc.) im Lehramtsstudium gelernt hat (heute wird v on den empirisch ausgerichteten Bildungswissenschaften oft nicht einmal mehr das gelehrt), erweist sich i m dargestellten Kontext insgesamt als Teil einer Die durchschlagende Wirkung der nicht auf Bildung, sondern au f die Modifikation von Verhalten durch die Steuerung von Lernprozessen zielenden behavioristischen Lernpsychologie in die Didaktik wurde begünstigt durch eine innerwissenschaftlich entstandene Leerstelle . Aus der Abkehr vo n an der Tradition der Rhetorik als System der Lehrkunst orientierten Didaktiken, die noch Ende des 19. Jahrhunderts Inhalt und Methode systematisch zusammendachten, folgte nun ein Bruch zwischen Inhalt sbegründung und Unterrichtsm ethod ik (vgl. Blankenheim 2 019). Die Inhaltsseite wurde von der bildungstheoretischen Didaktik bearbeitet, die methodische fiel der Lernpsychologie zu, die von dort aus zunehmend den ganzen Lernprozess usurpier t e. Unter Stichworten wie kybernetische Didaktik, Lernmaschinen und prog rammiertes Lernen wurde n auf der Grundlage des Behaviorismus Modelle einer technologischen Steuerung von Unterricht ausgearbeitet. Dabei ging es und geht es bis heute technologische[n] en gilt als Kontroll – und Herstellungswissen, was einer Bildungsreform, die auf Produktivitäts – und (Herzog 2012, S. 176) n gesellschaftlichen d., S. 276) Der prominenteste Vertreter des Behaviorismus, Burrhus F. Skinner, betonte selbst das zugrundeliegende Prinzip einer pädagogischen Technologie Prinzipien, durch die sie erst, wenn man sie beachtet, verbessert wird. Sie braucht eine S. 15) Und diese Technologie liegt für Skin ner im Prinzip der Programmierung von Lernen: der Lehrmaschinen – Ihr geht es daher, so folgert Walter nicht um Maschinen als Geg enstände , sondern als Verhaltensweisen (Herzog 2016, S. 124) Das technologische Modell behandelt also Lehrpersonen und Lernende als Bestandteile einer kybernetischen Maschine, die deren Verhalten mittels Feedbackschleifen steuern soll.

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Ein solches Model l von Unterricht wir d hier technologisch genannt, weil es darauf zielt (Rohstock 2014, S. 266) . Der Pädagoge als fachlicher, pädagogischer und didaktischer Experte, der didaktische und pädagogische Techn iken gemäß seiner Urteilskraft einsetzt, um adäquat auf individuelle Klassen und Schüler einzugehen, wird ersetzt durch eine apersonale technische Rationalität, die pädagogische Freiheit und Verantwortung eliminiert. Der Logos einer ihrer pädagogisch – didak tischen Kunst kundigen Person wird ersetzt durch die Ratio eines von dritten programmierten Ve rfahrensablaufs (vgl. Krautz 2020 ). Die marxistische Kritik hat schon früh erkannt, dass damit eben jene Rationalitätsmuster der Bildungsökonomie in Pädagogik un d Didaktik übersetzt w u rden, die parallel die OECD – – – Schema Jungblut 1972, S. 148). Das Ziel solcher Planung Verhalten (vgl. ebd.) im Sinne von Skinners Programmierung : welche kategorialen Umwälzungen in den Erziehungswissenschaften erforderlich sind, wenn das Muster zweckrationalen und erfolgskontrollierten Handelns die Theoriebildung estalter identitätsbildender Erziehungsvorgänge; vielmehr wird jetzt die Steuerung und Regelung vergegenständlichter Prozesse zum Ideal, dem die (Ebd., S. 167) Diese s technologische Modell von Unterricht wirkt, so die hier vertretene These, bis heute als Dispositiv : Es ist inzwischen an vielen Stellen das kaum mehr wahrnehmbare, selbstverständliche Grundmuster von pädagogischem und didaktischem Denken und Handeln. Auc h das technologische Dispositiv beschreibt, wie Agamben mit Bezug auf Institutionen, deren Ziel es ist, das Verhalten, die Gesten und die Gedanken der Menschen zu verwalten, zu reg ieren, zu kontrollieren und in eine vorgebliche nützliche Richtung zu ( Agamben 2008, S. 24) Es hat in pädagogischen und bildungspolitischen Zusammenhängen eine v.a. strategische Funktion und ist heute in der Tat weitgehend ins Unbewusste verinnerl icht (v gl. ebd., S. 7 9). 3.2 Technologische Steuerung von Schule und Unterricht So prägt das technologische Modell auch die Logik der einführenden Beispiele, sei es die Cost – benefit – Steu Dies sei in Rückbezug auf zwei der Beispiel e erläutert. 3.2.1 Steuern durch Messen Das oben am Ausschnitt der Evaluation angerissene Modell des Qualitätsmanagements ist eine geradezu idealtypische Verkörperung eines technologischen Steuerungsmodells, das den Abläufen einfacher kybernetischer Regelsysteme folgt ( vgl. Krautz 2018 , Karcher 2015 ). Hier realisiert sich also die Vision, über Prozesse des Messens und Regulierens ein ganzes Bildungswesen steuern zu können. Übersicht 2 zeigt dies grafisch :

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Analog zu einem einfachen kybernetische n Regelsystem, de m Heizungskreislauf, soll das ganze Schulwesen arbeiten . Ein Sollwert wird festgelegt , die Heizung arbeitet, ein Messfühler meldet die Temperatur zurück, das System regelt sich hoch oder herunter. Nach diesem im technischen Bereich sehr nützlichen Modell soll nun auch das Schulwesen und zugleich pädagogisches Handeln arbeiten : Bildungsstan dards geben einen Sollwert vor, das System Schule arbeitet, empirische Bildungsforschung misst die Evidenzen der Leistung ; mittels deren Feedback soll das unterrichtliche Handeln . Die Expertise von Lehrerinnen und Lehrer beschränkt sich damit darauf, aus zu führen, was berufsferne Bildungsforscher Feedback geben eben d ies formulierte oben die bildungspolitisch verantwortliche Person aus Österreich. Bezug auf die Steuerung von Schule und Unterricht (aus Krautz 2018) Diese Systeme sind in vergleichbar er Form in allen drei deutschsprachigen Ländern installiert. Dass sie faktisch Bildungsqualität nicht verbessern können, ist aus erziehungswissenschaftlicher Sicht offensichtlich (vgl. Biesta 2015) und zieht längst spürbare negative Konsequenzen nach sich. Was sie aber bewirken, ist das Eintrainieren der an Schule Beteiligten in jen es technologische Dispositiv. So gewöhnt das Modell daran, den Imperativen einer nie deutlich sichtbaren Steuerungsmacht zu folgen, deren demokratische Legitimation nicht zu hinterfragen und die eigene pädagogische Freiheit und Verantwortung langsam zu ver gessen.

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