ist sehr unterschiedlich: Einige bestimmen oder beeinflussen das. Schaltverhalten der Kanäle (gating, s. unten), andere modulieren.

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I · Allgemeine Physiologie der Zelle 50Itein muss seine Konformation nicht ändern, um ein Ion von einer Membranseite zur anderen zu transportieren. Ionenkanäle sind deshalb effektive elektrische Leiter (Transportraten: ca. 10 7–108 Ionen/s). Sie sind immer dort zu finden, wo relativ große elek- trische Ströme fließen, z. B. bei der Umladung erregbarer Zellen während des Aktionspotenzials. Das elektrochemische Potenzial. Es gibt zwei Triebkräfte, die eine Ionenbewegung durch Ionenkanäle treiben können: den Konzentrationsgradienten (chemische Triebkraft) und die Po- tenzialdifferenz (elektrische Triebkraft) . Die elektrochemische Triebkraft setzt sich aus diesen beiden Komponenten zusammen. Weist ein Ion im Zellinneren eine Konzentration c1 und außer- halb der Zelle eine Konzentration c2 auf, und liegt des Weiteren eine Spannung U über der Membran an, ist die elektrochemische Energiedifferenz: Dabei ist R die allgemeine Gaskonstante, T die absolute Tempe- ratur, z die Ladung bzw. die Wertigkeit des Ions, F die Faraday- Konstante, und U die Membranspannung. Eine andere Darstellung für den gleichen Zusammenhang ergibt sich aus der Definition des Umkehrpotenzials (Urev), d. h. der Membranspannung, bei der der Nettoeinstrom 0 ist: Ein passiver Transport erfolgt entlang eines elektrochemischen Gradienten. Eine Bewegung ge gen einen elektrochemischen Gradienten, wie sie beispielsweise für die Etablierung von Kon- zentrationsgradienten notwendig ist, ist mit einem ionenkanal- vermittelten Transport nicht möglich. Selektivität. Ionenkanäle zeigen eine mehr oder weniger ausge- prägte Selektivität bezüglich der sie permeierenden Ionen. Grundsätzlich werden Ionenkanäle in Kationen- und Anionen-kanäle unterteilt. Darüber hinaus findet man bei vielen Katio- nenkanälen eine hohe Selektivität für eine bestimmte Ionensorte, Abb. 4.1. Konzept des Ionenkanals . Ionenkanäle bilden eine wasser- gefüllte Pore aus, die die Doppellipidschicht durchspannt. Die Pore hat eine Engstelle, den sog. Selektivitätsfilter, den Ionen nur nach Abstreifen der Hy- drathülle durchqueren können .> > EinleitungEin zehnjähriger Junge aus dem Qureshi-birdari-Klan im Norden Pakistans war ob seines bizarren »Straßentheaters« weithin be- kannt, insbesondere auch bei den lokalen medizinischen Versor- gungsstellen: Er fügte sich selbst Wunden zu, bohrte sich Messer in die Arme und lief über glühende Kohlen – ohne dabei Schmerzen zu empfinden. Nach seinem Tod, er sprang kurz vor seinem vier- zehnten Geburtstag als besonderes Kunststück vom Dach eines Hauses, wurden englische Ärzte und Genetiker auf diesen Fall auf- merksam. Bei ihren Nachforschungen entdeckten sie sechs weitere Kinder im Alter zwischen sechs und 14 Jahren, die alle keinerlei Schmerzempfindung zeigten, dafür aber zahlreiche Hämatome, schlecht verheilte Brüche sowie Verletzungen an Lippen und Zun- ge aufwiesen. Tastempfindung, Propriozeption oder Temperatur- wahrnehmung dieser Kinder war normal. Umfangreiche gene- tische Analysen (sog. linkage -Analysen) erbrachten als Ursache für die vollständige Schmerzunempfindichkeit der Kinder Mutationen in einem Gen (SCN9A), das für einen spannungsgesteuerten Natri- umkanal (Na v1.7) kodiert und vor allem in den schmerzleitenden Spinalnervenfasern exprimiert wird. 4.1 Funktionsprinzipien von Ionenkanälen Grundeigenschaften von Ionenkanälen Ionenkanäle sind integrale Membranproteine, die den Durch- tritt von Ionen durch die Lipiddoppelschicht der Zellmembran ermöglichen.Eine Vielzahl physiologischer Prozesse wie die Erregungsausbil- dung und -fortleitung in Nerven, dem Herz- oder Skelettmuskel basiert auf elektrischen Prozessen an der Zellmembran. Grund- lage dieser elektrischen Prozesse ist der Fluss kleiner anorga- nischer Ionen wie Natrium, Kalium, Kalzium oder Chlorid durch eine besondere Klasse von Membranproteinen, die Ionen- kanäle. Aufbau der Zellmembran. Die Zellmembran besteht aus zwei chemischen Komponenten, der Lipiddoppelschicht und den da- rin eingelagerten Membranproteinen. Die Lipiddoppelschicht stellt einen nahezu perfekten elektrischen Isolator dar. Während lipidlösliche, unpolare Substanzen durch die Lipiddoppelschicht diffundieren können, ist sie impermeabel für geladene und pola- re Teilchen. Der Übergang eines geladenen Teilchens von Wasser in die Lipidschicht erfordert sein Herauslösen aus der Hydrat- hülle und sein Einbringen in die Lipidschicht. Bei Ionen wären dazu gewaltige Energiemengen erforderlich, die an der Zelle nicht zur Verfügung stehen (Born’sche Barriere). Konzept des Ionenkanals. Ionenkanäle sind integrale Membran- proteine , die einen wassergefüllten Diffusionsweg durch die Membran bilden ( . Abb. 4.1 ). Dementsprechend besteht ein Io- nenkanal aus lipophilen Anteilen, die in Kontakt mit der Zell- membran stehen, und aus hydrophilen Anteilen, die das intra- und extrazelluläre Medium über eine Pore verbinden. Das Pro- !

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Kapitel 4 · Grundlagen zellulärer Erregbarkeit 451die zur Namensgebung des Kanals benutzt wird. Ein Natriumka- nal erlaubt nur den Durchtritt von Natriumionen, ein Kaliumka- nal nur den von Kaliumionen. Kanalschaltverhalten (gating). Ionenkanäle können durch spe- zifische Konformationsänderungen ihre Transportrate ändern. Sie können zwischen Offen- und Geschlossenzuständen hin- und herschalten, eine Eigenschaft, die man als Kanalschaltverhalten (gating) bezeichnet. Dieses Schaltverhalten wird durch verschie- dene Reize gesteuert, z. B. durch Änderungen der Membranspannung, durch Änderung von Transmitterkonzentrationen, durch mechanische Kräfte wie Zug oder Druck oder durch Änderungen der Temperatur (Wärme oder Kälte). Das Schaltverhalten von Ionenkanälen ermöglicht eine schnelle Veränderung des elektrischen Stroms durch eine Zellmembran als Reaktion auf äußere Reize. Es ist die Grundlage zellulärer elektrischer Signale. Strom durch einen Ionenkanal Der mittlere Ionenstrom durch einen Kanal wird von Leit- fähigkeit und Offenwahrscheinlichkeit des Kanalproteins bestimmt.Strom durch einen Ionenkanal. Der mittlere Strom, der in einem bestimmten Zeitraum durch einen Ionenkanal fließt, wird durch zwei Faktoren bestimmt: die Einzelkanalstromamplitude , d. h. die Größe des Stroms durch den einzelnen Ionenkanal ( . Abb. 4.2 ). Die Einzel-kanalstromamplitude wird durch die Konzentration des permeierenden Ions auf beiden Seiten der Membran und durch die über der Membran anliegende Spannung festge- legt. Am Umkehrpotenzial ist der Einzelkanalstrom gleich 0, da sich der elektrische und der chemische Gradient aus- gleichen. die Offenwahrscheinlichkeit des Kanals, d. h. den Anteil der Zeit, in dem der Kanal geöffnet ist und den Durchtritt von Ionen erlaubt. Bei Membranspannungen positiv des Umkehrpotenzials kommt es in kationenselektiven Kanälen zu einem Nettoauswärtsstrom von Kationen, bei anionenselektiven Kanälen zu einem Netto -einwärtsstrom von Anionen, bei negativeren Membranspan- nungen zu einem umgekehrten Ionenfluss. Je größer die Trieb- kraft ist, d. h. der Abstand zwischen dem Membranpotenzial und dem Umkehrpotenzial, desto größer ist die Stromamplitude (. Abb. 4.2 ).Aus der Spannungsabhängigkeit der Einzelkanalamplitude lässt sich mithilfe des Ohm’schen Gesetzes (R = U/I) der Wider -stand oder die Leitfähigkeit (g = 1/R) eines einzelnen Ionen- kanals bestimmen. Einzelne Ione nkanäle weisen, je nach Kanal- typus, Ionenkonzentration und Temperatur, Leitfähigkeiten zwischen 1 und 100 pS (1 pS = 10 –12 S) und damit Widerstände im Bereich von 12 i= 10 9 auf. 4 4 4 4!44Voltage-clamp und patch-clamp. Der Strom durch Ionenkanäle wird mithilfe der Spannungsklemmtechnik (voltage-clamp) gemessen (. Abb.4.3). Die Spannungsklemmtechnik wurde zuerst an einem besonders großen Nervenaxon des Tintenfisches eingesetzt. Dazu werden zwei Elektroden be- nutzt, mit einer Elektrode wird die Spannung über der Membran gemessen und mit einem Sollwert verglichen, über die zweite Elektrode werden Ab- weichungen vom Sollwert durch eine Strominjektion ausgeglichen. Der inji- zierte Strom entspricht dem Ionenstrom, der bei konstanter Spannung durch die Membran fließt ( . Abb. 4.3). Führt man eine solche Messung unter Be- dingungen durch, die alle anderen Stromkomponenten blockieren, kann man das Verhalten spannungsgesteuerter Natriumkanäle sichtbar machen. Bei einem Spannungssprung von –70 auf 0 mV ist der Natriumstrom zu – nächst 0, er nimmt dann schnell zu, erreicht ein Maximum und geht wieder auf 0 zurück. Die Ursache für dieses zeitliche Verhalten des Natriumstroms ist eine zeitabhängige Veränderung der Anzahl offener Natriumkanäle. Bei – 70 mV sind alle Natriumkanäle geschlossen, bei 0 mV erhöht sich die Offen -wahrscheinlichkeit zeitweise und geht danach durch einen besonderen Pro- zess, die Natriumkanalinaktivierung, wieder auf 0 zurück (s. unten). Das patch-clamp -Verfahren ermöglicht es, Ströme durch einzelne Io- nenkanäle zu beobachten, wobei im Unterschied zur Zwei-Elektroden- 3Abb. 4.2. Parameter, die den Strom durch Ionenkanäle bestimmen. A Beispiel der Strom-Spannungskennlinie eines Ionenkanals. Dieser Kanal hat einen konstanten Widerstand, der sich aus der Steigung der Geraden ergnset: Schaltverhalten eines einzelnen Ionenkanals. Man sieht das Hin- und Herschalten zwischen einem Offen- und einem Ge- schlossen-Zustand. Die Amplitude des im offenen Zustand fließenden Stroms bezeichnet man als Einzelkanalamplitude. B Beispielhafte Span- nungsabhängigkeit der Offenwahrscheinlichkeit. Der Kanal hat bei nega- tiven Spannungen eine Offenwahrscheinlichkeit von 0, er ist immer ge- schlossen. Mit positiveren Spannungswerten steigt die Offenwahrschein- lichkeit an und erreicht bei +100 mV einen Maximalwert von etwa 0,75; d. h., selbst bei diesen Spannungen ist der Kanal 25% der Zeit geschlossen und 75% der Zeit geöffnet. C Strom-Spannungs-Kennlinie des Stroms durch 106 Kanäle mit den in B und C gezeigten Eigenschaften. Der makrosko- pische Strom ergibt sich als Produkt aus der Anzahl der Kanäle, der Einzel- kanalstromamplitude und der Offenwahrscheinlichkeit .6

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I · Allgemeine Physiologie der Zelle 52IIn Kürze Klemmtechnik nur mit einer Elektrode und einer geeigneten Rückkoppe- lungsschalttechnik gearbeitet wird ( . Abb. 4.4). Beim patch-clamp -Verfah- ren wird eine polierte Glaspipette auf die Zellmembran aufgesetzt, und dann durch Saugen ein kleiner Membranfleck (patch) elektrisch isoliert. Durch die dichte Verbindung der Zellmembran mit der Glaspipette kann der Memb- ran-patch von der Zelle abgezogen werden und zwar mit der Innenseite (in-side-out-patch) oder der Außenseite (outside-out-patch) nach außen gerich-tet ( . Abb. 4.4). Ist in dem Membran- patch nur ein einzelner funktioneller Kanal enthalten, kann mit diesem Verfahren, bei dem wieder die Spannung geklemmt wird, das Schaltverhalten des Kanals charakterisiert werden. Aufbau von Ionenkanälen Ionenkanäle sind integrale Membranproteine , die eine wassergefüllte Pore in der Zellmembran ausbilden und da- durch den Durchtritt von Ionen durch die Lipiddoppel- schicht der Membran ermöglichen. Triebkraft für die Diffusi- on durch die Kanalpore ist der elektrochemische Gradient , der sich aus dem Konzentrationsgradienten (chemische Triebkraft) und der Potenzialdifferenz (elektrische Triebkraft) zusammensetzt.Selektivität von Ionenkanälen Ionenkanäle zeigen bezüglich der durch sie permeierenden Ionen eine mehr oder weniger ausgeprägte Selektivität . Grundsätzlich unterscheidet man Ka tionenkanäle (bei diesen findet man oft eine hohe Selektivität für eine bestimmte Katio- nensorte) und Anionenkanäle. Die Funktion eines Kanalproteins wird – außer durch die Selektivität – durch das Kanalschaltverhalten (gating) be- stimmt. Durch Konformationsänderungen kann der Kanal zwi- schen einem Offen-Zustand, in dem die Pore für Ionen perme- abel ist, und Geschlossenzuständen hin- und herschalten. Der Strom durch einen Ionenkanal wird von der Offen- wahrscheinlichkeit und der Einzelkanalstromamplitude be- stimmt.4.2 Aufbau spannungsgesteuerter Kationenkanäle Topologie und Struktur Ionenkanäle sind aus poressorischen ereinheiten aufgebaut; Aminosäuresequenz und Memb- rantopologie dieser Untereinheiten bestimmen die Struktur des Kanalproteins Membrantopologie. Die aus der cDNA ableitbare Aminosäure- sequenz (Primärstruktur) zeigt, dass Ionenkanalproteine aus einer Abfolge hydrophiler und hydrophober Abschnitte bestehen (. Abb. 4.5 ), die die Anordnung der Proteine in der Zellmemb- ran (Membrantopologie) und damit ihre grundsätzliche Faltung (Tertiärstruktur) bestimmen. Die hydrophoben Abschnitte -Helizes (Se- kundärstruktur) konfiguriert, durchspannen die Doppelli- pidschicht der Zellmembran, während !4Abb. 4.3. Spannungsklemmtechnik zur Untersuchung von Ionen- kanälen. A Spannungsklemmvorrichtung für ein großes Zellpräparat (hier: Tintenfischaxon). Mit einem solchen Messaufbau konnte erstmals der Strom durch spannungsgesteuerte Natriumkanäle untersucht werden. B Span-nungsgeklemmter Natriumstrom durch ein Axon bei einen Spannungs- sprung von –70 mV auf 0 mV. Der Natrium-Einwärtsstrom nimmt kurz nach dem Spannungssprung schnell zu und anschließend wieder ab.die hydrophilen Abschnitte , einschließlich der N- und C- terminalen Enden des Proteins, im wässrigen Milieu des In- tra- und Extrazellulärraums oder der Ionenpore zu liegen kommen ( . Abb. 4.5 ).Die Anzahl der hydrophoben und hydrophilen Segmente kann sehr unterschiedlich sein, wobei die evolutionär ältesten Formen wohl die Untereinheiten mit zwei oder sechs Transmembranseg- menten (2- bzw. 6-Segment-Kanäle) sind. Struktur der Kanalpore. Das eigentliche Kanalprotein der 2- und 6-Segment-Kanäle entsteht durch Zusammenlagerung meh- rerer Untereinheiten zu einem Gesamtmolekül (Quartärstruk- tur). Für die einfachste Form eines 2-Segment-Kaliumkanals konnte mittels Röntgenstrukturanalyse des kristallisierten Ka- nalproteins ein atomares »Strukturbild« gewonnen werden (. Abb. 4.6 )4

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Kapitel 4 · Grundlagen zellulärer Erregbarkeit 453Abb. 4.4. Patch-clamp -Technik . Diese Technik erlaubt die Messung von Ionenströmen durch einzelne Ionenkanäle. A Messschema. B Verschiedene Konfigurationen der patch-clamp -Technik. Es können Messungen durchge- führt werden, während der Membran- patch noch Teil der Zellmembran ist (cell-attached -Konfiguration). Der Membranfleck kann aber auch aus der Zellmembran herausgerissen werden, die Membranseite liegt dann außen (inside-out -Konfiguration). Ein anderer Zugang ergibt sich, wenn der Membranfleck durch kurzes kräf tiges Saugen zerstört wird, sodass mit der Messvorrichtung Ströme durch die ganze Zellmembran registriert werden können (whole-cell -Konfiguration). Zieht man, von dieser Konfiguration .ausgehend, die Pipette von der Zelle weg, bildet sich häufig ein Membran- patch, dessen Membranaußenseite in das Bad gerichtet ist ( outside- out-Konfiguration). C Stromantworten eines einzelnen Natriumkanals auf Span- nungssprünge (Pfeile) von –90 mV auf –40 mV in einem Membran- patch, der aus einem Tintenfischriesenaxon exzidiert wurde. Man sieht, dass der Kanal nicht immer zur gleichen Zeit öffnet oder schließt – beide Vorgänge sind rein statistisch. Werden die Stromantworten aus mehreren Experi- menten ermittelt, erhält man einen Strom, der dem makroskopischen Strom durch eine große Anzahl von Natriumkanälen entspricht Dieser Kaliumkanal besteht au s vier symmetrisch angeord- neten Untereinheiten (Tetramere) , die in der Symmetrieachse des Moleküls einen vollständig von Proteinabschnitten umge- benen Kanal ausbilden. Die Wand dieses Kanals wird in der zy- toplasmatischen Hälfte des Moleküls durch die C-terminale Transmembranhelix (S2, innere Helix) gebildet, in der extrazel- lulären Hälfte durch das eingestülpte Verbindungsstück der bei- den Transmembransegmente, die Porenschleife (P-Schleife oder P-Domäne) ( . Abb. 4.5 ). Zur Lipidmatrix hin wird das Kanalmo- lekül durch die N-terminale Transmembranhelix (S1, äußere Helix) begrenzt, die, von der Pore aus betrachtet, hinter der in- neren Helix liegt und relativ zu ihr leicht verkippt erscheint. Der zytoplasmatische Kanaleingang wird von den ineinanderge- schlungenen N- und C-terminalen Enden der vier Kanalunter- einheiten gebildet ( . Abb. 4.6 ).Selektivitätsfilter. Die engste Stelle der Kaliumkanalpore, der sog. Selektivitätsfilter , findet sich nahe dem extrazellulären Eingang und wird vom C-terminalen Abschnitt der P-Domäne gebildet und von einem kurzen helikalen Abschnitt, der Poren- helix, stabilisiert ( . Abb. 4.7 ). Die Wand des Selektivitätsfilters, die wie in allen Kaliumkanalproteinen durch die charakteristi- sche Aminosäuresequenz Glyzin-Tyrosin-Glyzin (G-Y-G-Mo- tiv) gebildet wird, zeigt eine strukturelle Besonderheit: Die vier Kanaluntereinheiten schaffen mit den Karbonylsauerstoffen ih- res Tyrosin- und inneren Glyzinrestes eine Ringstruktur, die die Hydrathülle ( . Abb. 4.1 ) eines Kaliumions perfekt ersetzen kann, nicht aber die des Natrium- oder Lithiumions. Dieser »Hy- drathüllenersatz« ist die Grundlage der hohen Selektivität des Kaliumkanals bzw. seiner Fähigkeit, das größere Kaliumion (Ra- dius 1,33 Å) permeieren zu lassen, die kleineren Natriumionen

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I · Allgemeine Physiologie der Zelle 54I(Radius 0,95 Å) oder Lithiumionen (Radius 0,6 Å) dagegen nicht ( . Abb. 4.7 ).Strukturelle Grundlagen der Permeabilität und Kaliumselektivität. Die Röntgentruktur des kristallisierten 2-Segment-Kaliumkanals zeigt, wie diese Klasse von Ionenkanälen die Born’sche Barriere so weit reduziert, dass ein ho- her Ionenfluss möglich wird. Zum einen ist der Selektivitätsfilter sehr kurz, wo- durch Intra- und Extrazellulärraum einander sehr nahe kommen und die Ener- gie für den Durchtritt eines Ions auf ein Minimum reduziert wird; zum anderen stellt die elektrostatische Interaktion zwischen den Karbonylsauerstoffen und dem Ion zusätzlich Energie für die Membrandurchquerung bereit ( . Abb. 4.7). Eine weitere wichtige Erkenntnis aus der K analstruktur ist das Dipolmoment der Porenhelizes, das auf der ungleichen Ladungsvert- ruht: Durch die besondere Anordnung der vier Porenhelizes wird ein nega- tives Potenzial unterhalb des Selektivitätsfilters erzeugt, das Kationen in die Pore hineinzieht, während Anionen abgestoßen werden. KlassifizierungÄhnlichkeiten in Aminosäuresequenz und Membrantopologie teilen die Kationenkanäle in verschiedene Klassen, Familien und Unterfamilien ein. Kanalklassen. Die Sequenz aus zwei Transmembransegmenten und den sie verbindenden P-Domänen ist den meisten porenbil- denden Ionenkanal-Untereinheiten gleich bzw. sehr ähnlich. Darüber hinaus unterscheiden sich die bekannten Kanalgene aber sowohl in der Anzahl dieses Motivs, als auch in Anzahl und 3!Charakteristik weiterer Transmembransegmente (. Abb. 4.8 ). Die einfachste evolutionäre Erweiterung des 2-Segment-Kanals ist der 6-Segment-Kanal, eine Klasse von Kanälen, von denen mehr als 90 (!) verschiedene Gene isoliert wurden. Von den vier zusätzlichen Transmembransegmenten zeigt die Primärstruktur der letzten, der sog. S4-Helix, eine Besonder- heit: Jede dritte Position innerhalb dieser Helix ist mit einer po- sitiv geladenen Aminosäure, Arginin oder Lysin, besetzt und verleiht dem S4-Segment damit bei physiologischem pH eine positive Nettoladung. Dieses S4-Segment wird von den Kanälen als »Sensor« zur Detektion von Änderungen der Membranspan- nung benutzt und kommt in allen spannungsgesteuerten Ionen- kanälen vor (s. unten). Die weiteren Kanalklassen lassen sich im Sinne einer modu- laren Bauweise als Kombination der 2- und 6-Segment Untereinheit verstehen ( . Abb. 4.8 ). So sind die 2-P-Domänen Kaliumkanäle eine Kombination aus zwei 2-Segment-Untereinheiten, während die spannungsgesteuerten Natrium- und Kalziumkanäle (Na v- und Ca v-Kanäle) eine Verknüpfung von vier 6-Segmentunterein- heiten darstellen. Diese Kombination von vier 6-Segmentunter- einheiten in einem Gen zeigt, dass die Na v- und Ca v-Kanäle nach einem alternativen Prinzip aufgebaut sind: während sich die 2-, 4- und 6-Segment-Kanäle aus vier Untereinheiten zusammenset- zen, gewissermaßen nach einem »4×1-Prinzip« konstruiert sind, sind Na v- oder Ca v-Kanalmoleküle lediglich aus einer Unterein- heit nach einem »1×4-Prinzip« aufgebaut. Abb. 4.5. Primärsequenz und Membrantopologie . Membrantopolo- gie zweier Kaliumkanalproteine, abgeleitet aus dem »Hydropathieprofil« ih- rer Aminosäuresequenz. In der oberen Bildhälfte sind die Hydropathiepro- file eines 2-Segment- ( A) und eines 6-Segment-Kanals ( B) gegenüber der je- weiligen Primärstruktur dargestellt: Aminosäuren mit hydrophobem Index sind nach oben, Aminosäuren mit hydrophilem Index nach unten aufgetra- gen. Hydrophobe Abschnitte, die lang genug sind, die Z .Helix zu durchspannen, sind markiert. Die untere Bildhälfte zeigt die aus dem Hydropathieprofil abgeleit ete Topologie der Kanäle: 2 bzw. 6 Trans -membrandomänen mit intrazellulär gelegenen N- und C-terminalen Enden. Der hydrophobe Abschnitt zwischen den gelb markierten Transmembran- segmenten ist an der Ausbildung der Kanalpore beteiligt und wird als Po- renschleife (kurz: P-Schleife oder P-Domäne) bezeichnet

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Kapitel 4 · Grundlagen zellulärer Erregbarkeit 455In Kürze Kanalfamilien und -unterfamilien. Wie in . Abb. 4.8 darge- stellt, kann aufgrund von Ähnlichkeiten in der Aminosäurese- quenz noch eine Unterteilung der Kanalklassen in Familien und Unterfamilien getroffen werden. Beispiele für Familien sind etwa die spannungsabhängigen Kaliumkanäle (K v), die kalziumge- steuerten Kaliumkanäle (K Ca) oder die Einwärtsgleichrichter- Kaliumkanäle (K ir), Beispiel für Subfamilien wären die K v1-, die SK- oder K ir2-Kanäle. Bedeutend für die Architektur von Kanä- len ist diese Unterteilung insofern, als sich 2- und 6-Segment- Kanäle nicht notwendigerweise aus vier identischen Unterein- heiten (Homomere) zusammensetzen müssen, sondern auch aus verschiedenen Untereinheiten (Heteromere) bestehen können. Eine Heteromultimerisierung ist allerdings nur zwisch Untereinheiten einer Subfamilie möglich, nicht aber zwischen Mitgliedern verschiedener Familien oder Kanalklassen. Die hier vorgestellte Klassifizierung der vielen verschiedenen Kanalgene soll insbesondere der Systematik im Hinblick auf Auf- bau und grundsätzliche Funktionsmerkmale dienen, die Be- schreibung der physiologischen Funktion ist kurz skizziert (. Tab. A2 im Anhang) und erfolgt in detaillierter Form in den Kapiteln über Gewebe und Organe, in denen das jeweilige Kanal- protein exprimiert ist. Akzessorische Untereinheiten. Neben den genannten poren- bildenden Untereinheiten finden sich bei vielen Kanalproteinen weitere eng assoziierte Proteine , die nicht am Aufbau der Kanal- pore beteiligt sind und daher als akzessorische Untereinheiten bezeichnet werden. Strukturell betrachtet sind diese akzesso- rischen Untereinheiten entweder integrale Membranproteine (mit hydrophoben Transmembransegmenten; z. B.nterein -heiten der Na v-Kanäle, sowie der KCNQ- oder BK-Typ-Kalium- kanäle; . Tab. A2 »Kationenkanäle« im Anhang) oder überwie- gend hydrophile Proteine mit zytoplasmatischer Lokalisation (z. Bntereinheiten der K v- oder Ca v-Kanäle). Ihre Ver- bindung mit der porenbntereinheit erfolgt meist über Disulfidbindungen oder hydrophobe Wechselwirkungen . Die funktionelle Bedeutung der akzessorischen Untereinheiten ist sehr unterschiedlich: Einige bestimmen oder beeinflussen das Schaltverhalten der Kanäle ( gating , s. unten), andere modulieren die Leitfähigkeit des Kanals oder sind an der Proteinprozessie- rung, Lokalisation oder Stabilitätntereinheiten in der Membran beteiligt. Aufbau spannungsgesteuerter Kationenkanäle Kationenkanäle bestehen aus porerein- heiten und aus akzessorischen Untereinheiten (Quartär- ereinheit setzt sich aus hydrophoben und hydrophilen Abschnitten zusammen, die die Faltung des Proteins in der Membran bestimmen (Membrantopolo- gie, Tertiärstruktur) und deren Anzahl und Abfolge durch die Aminosäuresequenz (Primärstruktur) festgelegt wird. Die hydrophoben Abschnittes (Sekun- därstruktur) und durchspannen die Membran. Die hydrophi- len Abschnitte kommen im wässrigen Milieu des Extra- und Intrazellulärraums zu liegen. Das funktionelle Kanalprotein entsteht durch Zusam -menlagerung vereinheiten (tetramere Struk- tur), nur Nav- und Ca v-Kanälproteine wer- einheit mit vier Membrandomänen (pseudotetramere Struk- tur) auf. Die Pore des Kanals liegt in der Symmetrieachse des Proteins. Ihre engste Stelle, der sog. Selektivitätsfilter, befin- det sich nahe dem extrazellulären Eingang. KlassifizierungDas menschliche Genom umfasst eine Vielzahl von Genen, ereinheiten spannungsgesteuerter Kationenka- näle kodieren. Aufgrund von Ähnlichkeiten ihrer Primärse- quenz und Tertiärstruktur bzw. Membrantopologie (Anzahl hydrophober Segmente) lassen sich die Kationenkanalprote- ine in verschiedene Klassen, Familien und Unterfamilien ein- teilen. Abb. 4.6. Aufbau eines 2-Segment-Kaliumkanals, abgeleitet aus sei- ner Kristallstruktur. Die Struktur (A Seitenansicht und Aufsicht, B Seitenan- sicht zweier gegenüberliegender Untereinheiten) zeigt den Aufbau des Ka- nals aus vier Untereinheiten, die symmetrisch um die zentral gelegene Pore angeordnet sind. Der Selektivitätsfilter, in dem drei Kaliumionen zu sehen sind, wird von der P-Helix und dem C-terminalen Abschnitt der P-Schleife ge- bildet; die Transmembransegmentes ausgebildet und liegen hintereinander. Der zytoplasmatische Poreneingang wird von den N- und C-terminalen Enden der vier Untereinheiten aufgebaut .

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Kapitel 4 · Grundlagen zellulärer Erregbarkeit 457Abb. 4.8. Architektur und Topologie der Kationenkanalproteine . Die stammbaumartige Anordnung zeigt die verschiedenen Kanalarchitekturen in ihrem kombinatorischen Aufbau aus der 2- und 6-Segment-Kanalunter- einheit. Die spannungsabhängigen Na v- und Ca v-Kanäle fassen vier 6-Seg- ment-Untereinheiten in einem Gen zusammen; der Klassifizierung der Kal- ziumkanäle in L-, P/Q-, N-, R- und T-Typ entsprechen die angegebenen Gene. Die 2-P-Domänen-Kanäle kombinieren zwei 2-Segment-Unterein- heiten und sind mehrheitlich Kaliumkanäle, die den »Hintergrundskanälen« in Neuronen entsprechen. Die Mitglieder der Klasse der 2-Segment-Kanäle .sind die Einwärtsgleichrichterkaliumkanäle (Kir), die epithelialen Natrium- kanäle (eNaC) und die protonenaktivier ten Kanäle (ASIC). Die Mitglieder der Klasse der 6-Segment-Kanäle sind die spannungsabhängigen Kalium- kanäle (K v), die kalziumgesteuerten Kaliumkanäle (K Ca), die hyperpolarisa- tionsaktivierten Kationenkanäle (HCN), die durch zyklische Nukleotide ge- steuerten Kanäle (CNG) und die durch verschiedene messenger gesteuer- ten TRP-Typ-Kationenkanäle. Einige dieser Kanalfamilien lassen sich noch in die angegebenen Subfamilien unterteilen Abb. 4.9. Grundprinzip des Schaltverhaltens spannungsgesteuerter Ionenkanäle. Die Abbildungen zeigen den Kanal in seinen drei Hauptzustän- den: im aktivierbaren Geschlossen- bzw. C-Zustand (links), im offenen oder O- Zustand (Mitte) und im inaktivierten Geschlossen- bzw. I-Zustand (rechts) , in .dem der Kanal von einer N-terminalen Inaktivierungsdomäne blockiert wird (s. Text). Bei Depolarisation dur chläuft der Kanal die Zustände von links nach rechts, bei Hyperpolarisation von rechts nach links. Diese Übergänge sind im Zustandsschema durch rote bzw. blaue Pfeile symbolisiert

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I · Allgemeine Physiologie der Zelle 58IAls Folge der S4-Bewegung kommt es in den sie umgebenden Transmembransegmenten, insbesondere in den porenbildenden S5- und S6- Segmenten, zu einer Reihe von Konformationsände- rungen, die vermutlich in einer Drehung und Verkippung der S5- und S6-Helizes in der Membranebene bestehen. Resultat dieser Konformationsänderungen ist die Aufweitung der Kanalpore un-terhalb des Selektivitätsfilters und damit die Öffnung des Kanals (. Abb. 4.9 ).Im Gegensatz zur Bewegung der S4-Helix, die in Na v-, Kv- und Ca v-Kanälen sehr ähnlich abläuft, sind Art und Geschwin- digkeit der zur Porenöffnung führenden Konformationsände- rungen kanalspezifisch . So laufen diese Prozesse in Na v-Kanälen in weniger als einer Millisekunde ab, während sie bei K v-Kanälen deutlich länger dauern und im Bereich von etwa 10 bis mehreren 10 Millisekunden liegen. Der durch Depolarisation geöffnete Kanal kann durch Repo- larisation der Membranspannung wieder geschlossen oder de- aktiviert werden. Der Prozess der Deaktivierung verläuft im Wesentlichen spiegelbildlich zur Aktivierung: In einem ersten Schritt verlagern sich die S4-Helizes wieder zur Membraninnen- seite und bewirken so eine Reorganisation der porenbildenden Segmente, die zum Schließen des Kanals führen. Kanalinaktivierung. Nav-Kanäle, wie auch einige K v-Kanäle (die sog. A-Typ-Kanäle) bleiben nach ihrer Aktivierung trotz an- haltender Depolarisierung der Membran nicht offen, sondern werden wieder verschlossen, was die Unterbrechung des Ionen- stroms zur Folge hat. Dieses Schließen des Kanals , das im Zeit- bereich von etwa einer Millisekunde abläuft, wird als Inaktivie- rung bezeichnet. Strukturell stehen hinter der Inaktivierung zytoplasma- tische Proteindomänen : Bei den K v-Kanälen ist es das N-termi- nantereinheit (je nach K v-Kanal die ersten 20– 40 Aminosäuren, daher auch N-Typ-Inaktivierung ) oder der ntereinheit K vei den Na v-Kanälen ist es ein kurzer Ab- schnitt des Verbindungsstücks zwischen dem dritten und vierten 6-Segment-Abschnitt (sog. interdomain III–IV linker ). Entspre- chend der Quartärstruktur der Kanalproteine besitzen demnach die Na v-Kanäle genau eine solche Inaktivierungsdomäne, wäh- rend die K v-Kanäle bis zu vier solcher Domänen haben können (alle Kombinationen einer Heteromultimerisierung zwisch Untereinheiten mit und ohne Inaktivierungsdomäne). Zur Inaktivierung der Kanäle treten die Inaktivierungsdo- mänen – nach Öffnung des Kanals – in die Pore ein und binden dort an ihren Rezeptor, der von Abschnitten der Kanalwand ge- bildet wird ( . Abb. 4.9 ). Solange sie dort gebunden sind, blockie- ren bzw. verstopfen sie den »offenen« Kanal und unterbinden dadurch den Ionenstrom – der Kanal ist inaktiviert. Soll die In- aktivierung aufgehoben werden, muss die Membranspannung repolarisiert werden. Nach Repolarisation dissoziiert die Inakti- vierungsdomäne, getrieben durch die Konformationsände- rungen der Porensegmente, von ihrem Rezeptor und tritt aus der Pore aus (Aufhebung der Inaktivierung). Dadurch kann der Ka- nal nochmals für kurze Zeit geöffnet werden (sog. reopening ), ehe er in einem zweiten Schritt deaktiviert. Neben dieser klassischen oder N-Typ-Inaktivierung gibt es noch weitere, meist langsamer ablaufende Inaktivierungspro- zesse , die auf Konformationsänderungen des Kanalproteins vor allem im Bereich des Selektivitätsfilters beruhen. Einer dieser alternativen Inaktivierungsmechanismen, der in einigen K v- aber auch Na v-Kanälen zu beobachten ist, wird als C-Typ-Inaktivie- rung bezeichnet. Sie ist ein unabhängiger Prozess, kann aber durch die N-Typ-Inaktivierung bis in den Millisekundenbereich beschleunigt werden. Funktionell ist die C-Typ-Inaktivierung in zweierlei Hinsicht bedeutsam. Zum einen ist sie die Vorausset- zung zur Blockierung der Na v-Kanäle durch Lokalanästhetika (wie Lidocain oder Benzocain), zum anderen ist sie in der Lage, wegen der besonders langsamen Rückreaktion, Na v- und Kv-Ka- näle für Intervalle von mehreren Sekunden (!) Dauer zu inakti -vieren. Zustandsmodell des Kanal- gating. Das Schaltverhalten span- nungsgesteuerter Kationenkanäle lässt sich stark vereinfacht als eine sequenzielle Reaktion in einem System aus drei Zustän- den verstehen ( . Abb. 4.9 ). Diese Zustände sind: der Geschlossen-Zustand , aus dem der Kanal aktiviert wer- den kann (C-Zustand) ,der Offen-Zustand (O-Zustand) undder inaktivierte Zustand , in dem der Kanal durch die Inak- tivierungsdomäne blockiert ist (I-Zustand) .Bei Depolarisation der Membran wird das Gleichgewicht des Systems vom C-Zustand in zwei Teilreaktionen in den I-Zustand verlagert: Der erste Schritt, der Übergang vom C- in den O-Zu- stand, ist die Aktivierung, der zweite Schritt, der O-I-Übergang, entspricht der Inaktivierung . Bei Hyperpolarisation verläuft die Reaktion in umgekehrter Richtung. Wird dieses Zustandsmodell an die tatsächlich ablaufenden Konformationsänderungen des Kanalproteins angepasst, wird das System deutlich komplexer und muss sowohl um mehrere C-Zustände, als auch um zusätz- liche Inaktivierungszustände erweitert werden. Alternative gating-MechanismenIonenkanäle können durch verschiedene Signale geöffnet bzw. verschlossen werden: intrazelluläre messenger, Proteine, mechanische Spannung, Wärme/Kälte und kleinmolekulare Porenblocker. Neben der Änderung der Membranspannung und der Bindung von Neurotransmittern ( 7 Abschn. 4.5 ) können noch verschie- dene andere Signale als Stimuli zur Kanalöffnung wirken. Diese alternativen gating -Mechanismen lassen sich nach ihrem jewei- ligen Stimulus und der Lokalisati on des entsprechenden »Rezep- tors« am Kanal klassifizieren. Intrazelluläre Messenger. Eine Reihe von gating -Mechanis- men werden durch Veränderungen in der Konzentration intra- zellulärer messenger , wie ATP, pH, zyklische Nukleotide oder Ca2+, in Gang gesetzt ( . Abb. 4.10 ). So wird ein 2-Segment-Kali- umkanal (K ir6; . Abb. 4.8 , . Abb. 4.10 ) mit einer zytoplasma- tischen Bindungsstelle für ATP (KATP -Kanal) durch hohe Kon- zentration des Trinukleotids verschlossen bzw. durch ein Absin- ken des ATP-Spiegels aktiviert. Über diesen Kaliumkanal wird in 444!

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Kapitel 4 · Grundlagen zellulärer Erregbarkeit 459den B-Zellen des Pankreas die Insulinausschüttung gesteuert (KATP ; 7 Kap. 21.4 ). Ein weiterer 2-Segment-Kaliumkanal ( Kir1 oder ROMK; . Abb. 4.8 , . Abb. 4.10 ) wird durch eine Erniedri- gung des intrazelluären pH (Erhöhung der H +-Konzentration) verschlossen bzw. durch Alkalinisierung geöffnet. Mit Hilfe dieses Kanal wird im distalen Nierentubulus die Kaliumausschei- dung an den pH-Haushalt gekoppelt (ROMK; 7 Kap. 29.4 ). Die zyklischen Nukleotide cGMP und cAMP aktivieren zwei Familien von 6-Segment-Kanälen, die HCN- und CNG-Kanäle . Abb. 4.8 ), über Interaktion mit Bindungsstellen, die sich im C-Terminus dieser Kanäle befinden ( . Abb. 4.10 ). Diese Steuerung durch zyk- lische Nukleotide liegt der elektrischen Antwort der Sinneszellen in der Retina auf einen Lichtreiz (CNG-Kanäle) ebenso zugrunde wie der Schrittmacheraktivität des Sinusknoten am Herzen oder einiger zentraler Neurone (HCN-Kanäle). Einer Reihe von Kanälen, von denen die SK- und die Ca v1-Kanäle die bekanntesten sind, dienen Kalziumionen als gating -Modulator. Als Rezeptor benutzen die genannten Kanäle das Kal- ziumbindungsprotein Calmodulin , das wie eine akzessorische Untereinheit mit dem proximalen C-Terminus der Kan- tereinheit verbunden ist ( . Abb. 4.10 ). Durch Bindung von Kalzi- umionen an Calmodulin werden Konformationsänderungen auf das Kanalprotein übertragen, die dann zur Aktivierung (SK-Kanä- le) oder zur Inaktivierung (Ca v1-Kanäle) führen. Beide gating -Vorgänge sind für die Signalübertragung in zentralen Neuronen (Nachhyperpolarisation, synaptische Faszilitation bzw. De- pression) von grundlegender Bedeutung. Physikalische Faktoren. Umgebungsqualitäten wie Wärme, Käl- te, mechanische Zugkraft und Osmolarität können ebenfalls in Kanal- gating umgesetzt werden. So werden Mitglieder der TRP- Typ 6-Segment-Kanäle (. Abb. 4.8 ) durch Erwärmung (TRPV1, TRPV2), durch Abkühlun g (TRPM8) oder durch einen Anstieg der Osmolarität (TRPV4) aktiviert bz w. durch die gegensätzliche Änderung des physikalischen Umgebungsparameters deaktiviert. Mechanische Zugkraft, die tangential zur Membranebene wirkt, aktiviert sog. mechanosensitive Kanäle , wie sie beispiels- weise in den Sinneszellen des Innenohres oder den Berührungs- sensoren der Haut vorkommen. Allerdings konnte(n) bislang kein(e) Gen(e) für mechanosensitive Kanäle aus dem Säugetier- genom isoliert werden. Kanalblocker. Ein weiterer Mechanismus des Kanal- gating , ge- wissermaßen eine Alternative zu den Inaktivierungsdomänen der Na v- und Kv-Kanäle, ist der spannungsabhängige Block der Kanalpore durch kleinmolekulare Blocker, wie das divalente Magnesiumion (Mg 2+) oder die mehrfach positiv geladenen Poly- amine Spermin (SPM 4+) und Spermidin (SPD 3+). Bedeutsam ist der Block des NMDA-Rezeptors durch extrazelluläres Mg 2+, so- wie der Block der Kir-Typ-Kaliumkanäle durch intrazelluläres SPM 4+. Mechanistisch betrachtet treten die Blocker, wenn auch von verschiedenen Seiten, soweit in die Kanalpore ein, bis sie an der Engstelle des Selektivitätsfilters steckenbleiben und dadurch die Pore für die nachdrängenden permeablen Ionen verlegen. Der Porenblock ist dabei umso stabiler, je höher die elektrische Triebkraft (s. oben) ist, die auf die permeablen Natrium- und Kaliumionen wirkt ( . Abb. 4.11 ).Spannungsabhängiger Porenblock. Aus der Definition der elektrischen Triebkraft (Membranspannung – Gleichgewichtspotenzial des permeablen Ions), ergibt sich die Spannungsabhängigkeit des Mg 2+- und SPM 4+-Blocks (. Abb. 4.11): Am Gleichgewichtspotenzial unter physiologischen Bedin- gungen (0 mV am nicht selektiven NMDA-Rez eptor, –90 mV am selektiven Kir-Kanal) ist kein Porenblock zu beobachten, während wenige 10 mV nega -tiv (NMDA-Rezeptor) bzw. positiv (Kir-Kanal) davon, der Kanalblock vollstän- dig ist (. Abb. 4.11). Statistisch ausgedrückt ist die Wahrscheinlichkeit, ei- nen einzelnen Kanal blockier t vorzufinden, am Gleichgewichtspotenzial 36Abb. 4.10. Alternative gating-Mechanismen. Topologische Darstel- lung von Kanälen, die durch intrazelluläre Liganden gesteuert werden. A Bestimmte K ir-Kanäle weisen Bindungsstellen für ATP (K ATP -Kanäle) oder H+-Ionen (ROMK) auf; eine Erhöhung der Konzentration dieser Liganden führt zum Schließen, eine Verminderung zum Öffnen der Kanäle. B HCN- und CNG-Typ-Kanäle werden, neben der Membranspannung, durch Bin- dung/Dissoziation zyklischer Nukleotide (cAMP, cGMP) aktiviert bzw. deak- tiviert; beide Kanäle weisen eine Bindungsstelle für diese Nukleotide in ihrem C-Terminus auf. C Die SK-Typ-Kaliumkanäle (Subfamilie der K Ca-Ka- näle) sind mit dem Ca 2+-Bindungsprotein Calmodulin verbunden, das ihnen als Ca 2+-Sensor dient. Bindung von Ca 2+ an das Calmodulin bewirkt eine Öffnung der SK-Kanäle .BAC

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