by F Kessl — Die ›Sicherheit‹ der Oppositionsposition aufgeben http ://socwork/2009/1/essays/fabiankessl/Essay_FabianKessl.pdf [25. Juli 2009].
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Kurswechsel 3 / 2009 : 91Œ100 www.kurswechsel.at Die łSicherheit‰ der Oppositionsposition aufgeben Kritische Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰ Fabian Kessl und Susanne Maurer Die Herausgeber/innen haben in ihrer Konzeption dieses Kurswechsel-He˛es eine Perspektive formuliert, die »Überlegungen zu einem Gegenverhalten in der Ausrich -tung Sozialer Arbeit« anvisiert : »Möglichkeiten des Widerstandes, einer radikalen Entˆechtung der verschiedenen sozialarbeiterischen Handlungsoptionen« sollen ausgelotet werden. Dieser Aufgabe stellen wir uns in unserem Beitrag gerne, wollen sie allerdings mit Hilfe einer spezi˝schen Denk˝gur auch reformulieren : Dazu re -ˆektieren wir Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰. 1 Diese Denk˝gur verweist auf die Ambivalenzen in Rolle und Funktion Sozialer Arbeit, denn Soziale Arbeit tritt als Akteurin der Grenzziehung und -sicherung ebenso in Erscheinung wie als Ak -teurin der Grenzverschiebung oder gar -überschreitung. Mit dem Begri˙ der Grenz -bearbeitung lässt sich also sowohl die Normalisierungsfunktion wie die Möglichkeit der gesellscha˛skritischen Positionierung Sozialer Arbeit fassen. Zugleich verweist dieser Begri˙ auf die Ambivalenzen Sozialer Arbeit als soziales Geschehen : Denn łGrenze‰ symbolisiert gesellscha˛liche Krä˛efelder und Herrscha˛sverhältnisse, die sich erst mit der Wirkung von Grenzen zeigen ; Grenzen müssen daher permanent produziert und reproduziert werden, sie sind nicht absolut, sondern Ausdruck und Bedingung sozialen Handelns. Der Grenzbegri˙ wird von uns deshalb prinzipiell relational gefasst. Der folgende Gedankengang zur Bestimmung Sozialer Arbeit als Grenzbear -beitung nutzt die Foucault’sche Vorstellung von łGouvernementalität‰, die wir auf Selbstverständnisse, Perspektiven und Praktiken im Kontext der Diskussionen um eine łKritische Soziale Arbeit‰ beziehen. Wir werfen dazu die Frage auf, welche Anforderungen sich für kritisches, łoppositionelles‰ Denken und Handeln ergeben, wenn die Ordnungen 2, auf die sich die Kritik bezieht, immer mehr als łbewegt‰ und łentgrenzt‰ erscheinen : Welche Auswirkungen haben derartige Transformationspro -zesse und -proklamationen auf łBewegungen der Kritik‰, wie etwa eine (selbst-) kri -tisch gestaltete Praxis Sozialer Arbeit ? Auf der Suche nach Möglichkeiten eines łGegenverhaltens‰ nähern wir uns der Sozialen Arbeit sozusagen »von außen«. Wir nehmen oppositionelle Bewegungen als Bewegungen der Kritik in den Blick und nutzen sie zugleich als Reˆexionspunkt, um von dort aus Perspektiven einer Kritischen Sozialen Arbeit auszuloten. Damit un -terstellen wir keine einfache Analogie zwischen Sozialen Bewegungen und Sozialer Arbeit. Soziale Arbeit als Feld und Instanz ist keine soziale Bewegung, allerdings stellt sie historisch eine Reaktion auf die Kämpfe und das Engagement sozialer Bewegun -gen dar ; auch ist sie bis heute mit sozialen Bewegungen verbunden, steht mit ihnen sozusagen in Wechselwirkung. Wir nutzen für unseren Gedankengang die Korre -spondenzen und Spannungen zwischen Sozialen Bewegungen und Sozialer Arbeit, um die Dynamiken kritischer Bewegungen besser erkennbar zu machen. Unserem
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www.kurswechsel.at Kurswechsel 3 / 2009 : 91Œ10092 F. Kessl, S. Maurer : Kritische Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰ Verständnis nach lassen sich kritische Positionen nicht einfach von einem łsicheren Außenstandpunkt der Opposition‰ her formulieren Œ łKritik‰ fassen wir vielmehr als Bewegung, die sich immer wieder neu ausrichten und auch selbst überarbeiten muss. In diesem Sinne formulieren wir auch unseren Vorschlag, Soziale Arbeit als łGrenz -bearbeitung‰ aufzufassen und laden dazu ein, mit dieser Vorstellung experimentell umzugehen, um auf diese Weise neue Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten zu gewinnen. Zur Relevanz einer Rede von der Grenze, nicht nur in der Sozialen Arbeit Folgt man aktuellen Zeitdiagnosen, so sind in den vergangenen Jahren die im 19. und 20. Jahrhundert gültigen nationalstaatlichen Grenzziehungen weitgehend di˙undiert. Ulrich Beck (2008) hat in seinem Erö˙nungsvortrag des Jenaer Soziologenkongresses im vergangenen Jahr diese Diagnose der Ent-Grenzung nochmals prominent mar -kiert. Auch in der Sozialen Arbeit erfährt die Rede von der Entgrenzung in den ver -gangenen Jahren deutliche Aufmerksamkeit (Lenz/Schefold/Schröer 2004). Beck bestimmt die Grundidee seiner Perspektive der Entgrenzung folgenderma -ßen : »All diese Grenzprämissen werden heute fragwürdig« (Beck 2008). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sei deshalb »erneut ein epochale(r) Wandel« zu erleben. 3 Die Menschheit lebe gegenwärtig in unsicheren Zeiten, in einer Weltrisikogesellscha˛. Das seit Mitte des 17. Jahrhunderts im Anschluss an den Westfälischen Frieden etablierte nationalstaatliche Ordnungssystem verliere damit mehr und mehr seine Gültigkeit und Kra˛, werde von globalen und kosmopolitischen Dynamiken und Neuordnungen überformt und abgelöst : Globale Risiken, so Beck weiter, »reißen nationale Grenzen ein und mischen das Einheimische mit dem Fremden. [–] Der Alltag wird kosmopolitisch« (ebd.). Zwar lösten sich die bisherigen Grenzen nicht völlig auf Œ und hier wird eine prinzipielle Übereinstimmung mit regulationstheo -retischen, machtanalytischen oder sozialgeogra˝schen Analysen (Heeg u. a. 2006 ; Gertenbach 2008 ; Werlen 1997) deutlich Œ aber sie koexistierten nicht mehr. Aus dieser Diagnose ergibt sich für Beck daher die Notwendigkeit einer »Neuvermes -sung« sozialer Zusammenhänge. 4 Dieser Aspekt der Neuvermessung ist nun auch für unsere grenzanalytische Perspektive von entscheidender Bedeutung, denn damit werden nicht nur veränderte politische Grenzziehungen unterstellt, sondern auch eine damit verbundene Notwendigkeit, die forscherischen Ansatzpunkte für die Analyse dieses »entgrenzten Sozialen« grundlegend umzustellen : Die analytischen Grenzziehungen, wie sie die Sozialwissenscha˛en von Beginn ihrer Etablierung im 19. Jahrhundert an geprägt haben, taugen demnach nicht mehr. Denn den damit verbundenen sozialwissenscha˛lichen Perspektiven habe die »Prämisse des norma -tiv-politischen Nationalismus« zugrunde gelegen (Beck 2008, 19) Œ und spätestens mit den Entgrenzungstendenzen der vergangenen Jahre habe sich diese Prämisse als verkürzt erwiesen. So wichtig Becks Hinweise auf eine Ent-Grenzung des Sozialen (Beck/Lau 2004) sind, so problematisch erscheinen sie uns zugleich : Die Diagnose eines »Epochen -umbruchs« verkennt allzu leicht die historischen Kontinuitätslinien, die sich gegen -wärtig beispielsweise darin zeigen, dass für die wohlfahrtsstaatliche Regulierung weiterhin die Nationalstaaten die entscheidende Ebene darstellen. Ähnlich skeptisch sind wir gegenüber verallgemeinerten Reden von Entgrenzung, wie sie von Beck/Lau
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Kurswechsel 3 / 2009 : 91Œ100 www.kurswechsel.at F. Kessl, S. Maurer : Kritische Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰ 93und anderen in Bezug auf einzelne Aspekte wie die Erwerbsarbeit oder die Famili -enformen geäußert werden 5. Die Entgrenzungsdiagnose unterstellt hier eine prinzi -pielle Di˙usion fast aller bisherigen Grenzen. Eine solche Entgrenzungsbehauptung verkennt aber nicht nur die Kontinuität von bestehenden Grenzziehungen, wie sie für die professionelle Soziale Arbeit nachweisbar sind, sondern auch die Tatsache, dass viele Grenzen łnur‰ verlagert oder neu gezogen werden und nicht völlig ver -schwinden. Das lässt sich am Beispiel der Entgrenzung des wohlfahrtsstaatlichen Familienmodells (bürgerliche Kleinfamilie) deutlich zeigen (mehr dazu im Beitrag von Oelkers/Richter in diesem He˛) : Einerseits ist eine solche Entwicklung in den vergangenen Dekaden deutlich zu beobachten (Jurczyk et al. 2009), womit auch der Bezugspunkt sozialpädagogischer Hilfen für Familien neu zu justieren ist. Zugleich bleibt das bisherige Zwei-Eltern/ Zwei-Generationen-Familienmodell noch immer Alltagsrealität für die Mehrheit der Kinder in Mitteleuropa und auch zielbestimmend für die Lebensführung nachwachsender Generationen. Ent-Grenzungsdiagnosen weisen somit einerseits zu recht auf eine grundlegende Transformation des bisherigen nationalstaatlichen und wohlfahrtsstaatlichen Arran -gements hin, wie es sich ja nicht zuletzt als institutionalisierte Soziale Arbeit seit dem 19. Jahrhundert etablierte (Kessl/Otto 2008). Zugleich erscheint es uns gerade im Hinblick auf das Ringen um Perspektiven für eine Kritische Soziale Arbeit (dazu auch Widersprüche 2006) notwendig, nicht nur von einer solchen Di˙usion bishe -riger Grenzen auszugehen Œ und diese entweder ganz allgemein zu bedauern oder doch zumindest die vorherrschende Richtung der Transformation zu beklagen. Wir halten es vielmehr für sinnvoll, in die historisch-spezi˝schen Entgrenzungsprozesse selbst hinein zu zoomen und damit die diversen Praktiken der Grenzbearbeitung zu fokussieren. Erst dann kann unseres Erachtens in den Blick kommen, in welcher Weise Soziale Arbeit selbst Grenzen verschiebt, aber auch zieht Œ oder doch zumin -dest reproduziert. Genau dieses Wissen erö˙net Ansatzpunkte für eine Kritische Soziale Arbeit, die die festgestellten Grenzziehungen nicht einfach mitmachen will, sondern andere Grenzbearbeitungspraktiken in Richtung Verschiebung oder auch Überschreitung anstrebt. Eine Bestimmung Sozialer Arbeit als Grenzbearbeitung hätte in Bezug auf die aktuellen Entwicklungen im Zuge der »Finanz- und Wirtscha˛skrise« auch zu ver -deutlichen, welche Rolle Soziale Arbeit in diesem Zusammenhang übernimmt (Kessl 2009b) : Wird sie zur łKrisengewinnlerin‰ Œ ähnlich wie die ö˙entliche Jugendwohl -fahrt im Kontext ihrer Etablierung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts (modernistisches Muster), mündet sie ein in den Chor der neuen Protagonisten einer pädagogischen Grenz(durch)setzung, wie sie sich etwa unter den Überschri˛en einer »Konfrontativen Pädagogik« ˝nden lassen (reaktionäres Muster) oder aber gelingt es ihr, sich als aktive, auch selbstkritische Grenzbearbeiterin zu positionieren (progres -sives und politisches Muster) ? Im Weiteren werden wir uns der Bestimmung Sozialer Arbeit als Grenzbearbei -tung zunächst assoziativ nähern, um dann auch einige systematische Überlegungen zu skizzieren. Dabei verstehen wir Grenzbearbeitung nicht zuletzt im Sinne einer łReartikulation des Kritischen‰. Zunächst soll jedoch noch etwas allgemeiner deut -lich gemacht werden, was es heißen kann, von Sozialer Arbeit als Grenzbearbeitung zu sprechen.
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www.kurswechsel.at Kurswechsel 3 / 2009 : 91Œ10094 F. Kessl, S. Maurer : Kritische Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰ Um welche Grenzen geht es ?Soziale Arbeit bezieht sich auf höchst unterschiedliche Grenzen : Es sind die Gren -zen, an die Menschen in der Gesellscha˛ stoßen, die ihnen ein Weitergehen nicht möglich machen oder es doch an bestimmte Bedingungen Œ des Wohlverhaltens, der Anpassung oder der łNormalität‰ Œ knüpfen ; es sind die Strukturen und Verhältnisse, an denen Menschen sich reiben ; es sind bestimmte Lebensmöglichkeiten, die als begrenzt und Lebenssituationen, die als begrenzend erfahren werden. Aus einer grenzanalytischen Perspektive betrachtet, ist Soziale Arbeit hier łim Übergang‰ angesiedelt : Sie praktiziert Hilfe und Herrscha˛, hat ein durchaus mehr -deutiges Mandat, auch eine ordnungspolitische Funktion, und versucht doch gleich -zeitig an der konkreten Verbesserung von Lebenssituationen zu arbeiten ; sie steht für das Bemühen um eine angemessene Verteilungspolitik und Ressourcenarbeit, für die Anerkennung des Eigensinns ihrer Adressat/innen und deren Lebenswelten, aber auch für Praktiken der Normalisierung und Disziplinierung. Eine Gratwanderung also, grenzwertig o˛. Soviel steht jedenfalls fest : Soziale Arbeit ist selbst aktiv an der Produktion und Reproduktion von Grenzen beteiligt, ist Grenzzieherin und auch Grenzverteidigerin. Die Arbeit am Sozialen geschieht häu˝g an und entlang höchst umstrittener Gren -zen : Wer bestimmt, dass sie so verlaufen und nicht anders ? Welche bestimmenden, also hegemonialen Krä˛e sind hier wirksam ? Wo werden die entsprechenden Gren -zen für Fachkrä˛e wie Nutzer/innen auch als veränderbar erkennbar ?Wir fassen Soziale Arbeit als Grenzbearbeitung auf Œ und damit als soziale Praxis in so verschiedenen Dimensionen und Bereichen wie der Wissenscha˛, der poli -tischen Steuerung, des Einrichtungsmanagements, der pädagogischen Alltagsar -beit oder der Nutzer/innenpolitik. Die Vielschichtigkeit, Mehrdeutigkeit und auch Nicht-Linearität gesellscha˛licher Verhältnisse und Dynamiken lassen sich unseres Erachtens mit der Grenz-Metaphorik sehr gut fassen. Hier sind viele Blickrichtungen möglich, lassen sich auch ganz verschiedene (mitunter überraschende) Bewegungs – möglichkeiten ausmachen : Warum etwa nicht auch eine sozialpädagogische Hilfe für Familien konzipieren, die jenseits des vorherrschenden bürgerlichen Kleinfa – milienmodells ansetzt ? Wieso nicht die Diagnose räumlicher Segregation in mittel -europäischen Großstädten als Ausgangspunkt nutzen und zugleich bewusst nicht- kleinräumig (nicht-sozialraumorientiert) agieren ? Wie diese Beispiele zeigen, bliebe auch hier die Grenze (in Gestalt des normativ wirkenden Kleinfamilienmodells oder als territoriale Grenze) immer Bezugspunkt, und würde doch zugleich zum Aus -gangs- oder Ansatzpunkt für Alternativen, Transformationen und Übergänge zum (bisher) Fremden. In dieser Hinsicht kann łGrenze‰ auch vom Trennenden zum ver -bindenden Moment werden, zu einem Ort der Begegnung, und sei es als konˆikthaf -te Konfrontation. Grenzanalytische Rekonstruktionen sind unseres Erachtens die Voraussetzung für solche neuen (selbst)kritischen Formen der sozialpädagogischen Grenzbearbeitung. Die Rede von der Grenze verweist somit einerseits auf die Komplexität der Verhält -nisse und gleichzeitig auf deren Konkretion an einem bestimmten Ort, zu einer be -stimmten Zeit, mit Hilfe bestimmter Praktiken Œ denn der Ort der Grenze existiert ! Doch Œ so fragt die Grenzanalyse weiter : Welche Umstände mach(t)en es möglich, dass genau diese Grenzen und keine anderen (re)produziert werden ? Mit dieser Art
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Kurswechsel 3 / 2009 : 91Œ100 www.kurswechsel.at F. Kessl, S. Maurer : Kritische Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰ 95zu fragen, lässt sich eine kritisch-reˆexive Perspektive Sozialer Arbeit einnehmen Œ eine Perspektive, die das aktuell Sichtbare und Sagbare als historisch-spezi˝sch be -trachtet, also als konkret wirkmächtige Struktur, zugleich aber immer nur als eine mögliche Form. Aufgabe einer kritischen Sozialen Arbeit wäre somit immer auch der Versuch, auf Basis der Reˆexion der bestehenden Grenzziehungen, Ansatzpunkte für die Freilegung anderer möglicher Formen zu markieren und damit zugleich Œ ganz praktisch Œ Grenzverschiebungen oder auch -delegitimationen zu ermöglichen. Der Begri˙ der Grenze erweist sich also dann als produktiv, wenn wir łGrenze‰ als Praktik der Grenzbearbeitung in den Blick bekommen. Diese Idee einer Produktivität der Grenze bringen wir bewusst mit Michel Foucaults Figur der Produktivität der Macht in Verbindung. łGrenzen‰ (in) der Kritik Foucault macht darauf aufmerksam, dass oppositionelle Strömungen weder łau -ßerhalb‰ noch łgegenüber‰ der Macht vorgestellt werden können, sondern immer Teil einer gesellscha˛lichen Gesamt(an)ordnung sind. łInnerhalb der Macht‰, die von ihm im produktiven Sinne als Krä˛efeld und relationales Gewebe verstanden wird, haben die oppositionellen Aktivitäten unter Umständen auch den E˙ekt, dass neue Œ der Zeit gemäß Œ e˙ektivere Regierungsweisen sich entwickeln und entfalten können. Das ist analytisch und gesellscha˛stheoretisch von großer Bedeutung, im Kontext eines gesellscha˛skritischen politischen Selbstverständnisses allerdings ein gewisses Problem, das zu Neukonzeptionierungen von łWiderstand‰, łSubversion‰, łGegen-Gesellscha˛‰ herausfordert, um das Widerspenstige des Oppositionellen zu rekonstruieren. So stellen inhaltliche Programmatiken (oder łIdenti˝zierungen‰) inzwischen kaum noch einen Haupt-Schauplatz politischer Auseinandersetzungen dar (ganz anders als etwa noch in den 1970 er Jahren), viel eher die Frage nach angemessenen politisch(-kulturellen) Praktiken, also : nach der symbolischen (und medial vermittel -ten oder vermittelbaren) Politik. Kritische ˚eoretiker/innen wie etwa Sarasin (2003) haben in den letzten Jahren in veränderter Weise daran gearbeitet, ein Subjekt der agency zu denken, um »jenseits der Fallen der Bewusstseinsphilosophie« fragen zu können, »wie Subjekte sich in den Widersprüchen der symbolischen Ordnung als ei -genständige, eigensinnige Produkte dieser Ordnung einnisten« und verweisen dabei wiederum auf die Gouvernementalitäts-Debatte, die sich ebenfalls auf der Spur der Möglichkeiten bewege, »die taktischen Dispositive der Macht umzukehren und in Instrumente des Widerstandes zu verwandeln« (Sarasin 2003, 55). Inspiriert nicht zuletzt von Michel Foucault arbeiten wir seit einigen Jahren an Möglichkeiten einer Rekonzeptualisierung Kritischer Sozialer Arbeit. Produktiv- irritierend in diesem Zusammenhang erscheint uns insbesondere die Erkenntnis, dass die Œ von uns erkenntnispolitisch eigentlich bevorzugte Œ Betonung des O˙enen, Heterogenen und Relationalen (so etwa Flax 1990), im Denken wie in politischen Konzepten, sich unversehens in ein Instrument bzw. eine willkommene Ressource im Sinne neoliberaler Deregulierung verwandeln kann. Angesichts dessen halten wir es für produktiv, sehr genau die łBewegungen innerhalb der Bewegungen‰ zu rekonstruieren : die sehr komplexe Suche nach immer wieder neuen Orientierungen, Perspektiven und Bezugspunkten, die auch als łSehnsucht nach dem Anderen‰ ver –
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www.kurswechsel.at Kurswechsel 3 / 2009 : 91Œ10096 F. Kessl, S. Maurer : Kritische Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰ standen werden kann Œ danach, erfahrene Begrenzungen zu überwinden (und zwar auch innerhalb oppositioneller Strömungen und ihrer Ideologien selbst) und von daher immer wieder neue Perspektiven einzunehmen und zu erforschen. Wenn etwa im Kontext machtanalytischer Überlegungen über die Instrumen -talisierbarkeit sozialer Bewegungs-Formen (wie Selbstorganisation, Selbstverwal -tung, Netzwerkbildung etc.) im gesellscha˛lichen Raum nachgedacht werden muss, so erscheint dabei zweierlei wichtig. Zum einen ist in diesem Zusammenhang die mögliche (Aus)Richtung der transformativen Absicht zu klären : Was wird aus den kritischen dynamisierenden Krä˛en im gesellscha˛lichen Raum, wenn die ganze Ge -sellscha˛ Œ im Zuge von Globalisierungsprozessen und neoliberaler Deregulierung Œ zu einer łbeweglichen Ordnung‰ geworden ist ? Können Bewegungen der Kritik dann überhaupt noch als łGegenverhalten‰ gedacht werden ? Zum anderen ist nach dem Verbleib des Rebellischen als Qualität des Nicht-Einverstanden-Seins zu fragen. Wel -che Formen nimmt es in der gegenwärtigen gesellscha˛lichen Situation an, wie bringt es sich zum Ausdruck ? Der entscheidende Stachel scheint uns hier die Qualität der łZumutung‰ zu sein, die durchaus auch unabhängig von ihrem Inhalt wahrnehmbar bleibt. Grenzen können in diesem Zusammenhang ebenso als Zumutung erfahren werden wie Grenzen-Losigkeit oder das Verschwimmen von Grenzen. Wir formulieren hier die ˚ese, dass das mehr oder weniger unbestimmte łUn -behagen in der Gesellscha˛‰ immer wieder einen konkreten Ort braucht, an dem es sich auch konkret artikulieren kann. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund einer Entwicklung, die den politischen Raum des Nationalstaats als Arena politischer Prozesse prekär werden lässt. Von einem solchen Ort aus kann die unbestimmtere Kritik am Bestehenden ins Politische łübersetzt‰ werden und sich mit expliziter Kri -tik an Normalitäts- oder Aktivierungs-, aber auch Selbstgestaltungs-Zumutungen verbinden. Foucault entwickelt eine Konzeption von lokalem Widerstand und postuliert die »permanente Kritik des historischen Seins« (Bührmann 1995, 213˙.). Widerstand soll demnach an jenen alltäglichen Praxen und lokalen Krä˛everhältnissen ansetzen, die als Grundlage für gesellscha˛liche Spaltungen fungieren. Zum einen geht es hier darum, »sich den von den Humanwissenscha˛en produzierten Gewissheiten, Wahr -heiten, Klassi˝zierungen und Normierungen zu widersetzen« (ebd., 213f.), sich viel -mehr lokalen und unterworfenen Wissensarten zuzuwenden und eine Wissenskultur bzw. -praxis zu entfalten, »die die Individuen selbst privilegiert und deren Interessen zur Sprache kommen lässt« (ebd., 215). Vor einem solchen Hintergrund lässt sich letztlich auch ein überarbeiteter Begri˙ von łOpposition‰ entfalten, der Dissens und Konˆikt łim Inneren‰ der kritischen Strömungen ebenso reˆektiert wie im Gesamtraum der Gesellscha˛, und der die -sen Raum als Arena politischer und sozialer Auseinandersetzungen wieder deutlich werden lässt. Erkenntnispolitiken und Grenzerfahrungen Kritisches Denken im Sinne der Grenzbearbeitung interessiert uns nicht zuletzt in seiner Qualität als kollektive (Such-) Bewegung Œ als Praxis, mit der bestimmte (Er -kenntnis-)Erfahrungen gemacht werden und die dabei immer wieder auch an Gren -zen stößt.
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www.kurswechsel.at Kurswechsel 3 / 2009 : 91Œ10098 F. Kessl, S. Maurer : Kritische Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰ radikale Œ Kritik des gesellscha˛lichen Status Quo. Gleichzeitig werden Visionen einer besseren, gerechteren Gesellscha˛ formuliert. Für die Ebene der historischen Betrachtung lässt sich daher ein Zusammenhang zwischen der ˚ematisierung gesell -scha˛licher Konˆikte durch Soziale Bewegungen und der Entwicklung und Entfaltung moderner Sozialer Arbeit herstellen. 8 Für die Ebene der systematischen Betrachtung ist von Belang, dass Soziale Bewegungen hier eine spezi˝sche ˚ematisierungsmacht entfaltet haben, die von individuellen wie kollektiven Ungleichheits- und Konˆikt-, oder auch łGrenz‰ erfahrungen ihren Ausgang nimmt. Ähnliches gilt für die Soziale Arbeit, die als wohlfahrtsstaatliche Instanz allerdings immer auch ordnungspolitische Instanz war (Normalisierung). Gesellscha˛s- und Subjektperspektiven sind in der Sozialen Arbeit auf spezi˝sche Weise vermittelt : Es geht hier nicht nur um die Frage, warum unter bestimmten Be -dingungen oder Vorzeichen auf eine bestimmte Weise gehandelt wird, sondern auch darum, wie sich dieses Handeln verändern kann. Insofern ist in der Sozialen Arbeit immer wieder eine spezi˝sche Aufmerksamkeit für die Praktiken der Menschen aus -gebildet worden Œ durchaus auch mit Bezug auf die Möglichkeiten der Entwicklung und Überschreitung des Gegebenen. Wie kann nun diese Aufmerksamkeit, die Sozialer Arbeit in gewisser Weise syste -matisch inhärent ist Œ sei es, um gesellscha˛lich unerwünschte Entwicklungen und Impulse der Überschreitung abzuwehren, sei es um im Rahmen bestehender Ord -nungen zu łVerbesserungen‰ beizutragen Œ bewusst in kritischer Perspektive zum Einsatz gebracht werden ? Anders gefragt : Wie lassen sich Möglichkeiten des Kriti -schen łim Inneren‰ Sozialer Arbeit selbst rekonstruieren ?Die Aufmerksamkeit für die konkreten Œ und auch mehrdeutigen Œ Praktiken der Menschen verhil˛ beispielsweise dazu, Folgendes wahrzunehmen und in Betracht zu ziehen : Zum einen entwickeln sich, um auf die Metaphorik der (und Realität von) łGrenze‰ zurückzukommen, um jede Grenze herum immer wieder neue Grenzbearbeitungs -praktiken ; es zeigt sich hier in einem ersten Sinn die Dialektik von Begrenztheit und kreativem Umgang mit Grenzen Œ auch wenn die kreativen Praktiken über prekäre Lebenssituationen und -verhältnisse nicht hinwegtäuschen können. Zum anderen wird Œ angesichts von scheinbar łgrenzenlosen‰ Anforderungen und Zumutungen Œ deutlich, dass Grenzen auch łSchutz‰ bedeuten können. So werden beispielsweise die massiven gegenwärtigen Grenzverschiebungen in der Gestaltung der politökono -mischen Verhältnisse für viele Menschen nicht nur unangenehm, sondern teilweise existenziell bedrohlich. Aber auch schon vor der aktuellen akuten Krise wurde die neoliberale Umgestaltung der Arbeitsmärkte für den einzelnen łam eigenen Leib‰ spürbar : Vom modernen Arbeitssubjekt, das als Entrepreneur oder łIntrapreneur‰ (łUnternehmer/in seiner/ihrer selbst‰/ łArbeitskra˛unternehmer/in‰) konzeptuali -siert ist, werden zunehmend Flexibilität und Elastizität Œ auch des Körpers und seiner Krä˛e Œ als Subjektqualität gefordert (dazu und zum folgenden Schröder 2008). Die damit verbundene łPhilosophie der Fitness‰ bringt neue łSubjektivierungsweisen‰ mit sich und kann zu einer Meta-Anstrengung werden. Gleichzeitig zeigt sich in diesem Zusammenhang auch die Funktion des Körpers als Grenze Œ der Leib lässt eben doch nicht alles mit sich machen, zeigt sich erschöp˛, wehrt sich mit Krank -heiten łgegen‰ die (Selbst-) Instrumentalisierung. Kann die Begrenztheit des Körpers vor diesem Hintergrund womöglich zum Ausgangspunkt für eine Verteidigung der
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Kurswechsel 3 / 2009 : 91Œ100 www.kurswechsel.at F. Kessl, S. Maurer : Kritische Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰ 99Grenzen des Zumutbaren werden ? Wie könnte eine kritische Soziale Arbeit hier ein -setzen Œ in łOpposition‰ zu Strategien, die die Einzelnen für ihre körperliche Verfas -sung nur selbst verantwortlich machen und versuchen, auf Lebensführungspraktiken (wie Ernährungs-, Bewegungs- und Gesundheitsverhalten allgemein) im Sinne des Optimierungs-Paradigmas łnormalisierend‰ und łdisziplinierend‰ einzuwirken ?Die Aufmerksamkeit für Grenz-Praktiken bezieht sich also nicht nur auf die Kri -tik, Infragestellung und Ö˙nung von Grenzen, sondern auch auf deren Nützlichkeit. Dabei geht es nicht um eine Relativierung oder Verharmlosung von Grenzen, son -dern um die Möglichkeit des Perspektivwechsels, der Umkehrung und Neuausrich -tung von Blick und Handeln, um Fixierungen, die auch im Kontext einer kritischen Praxis immer wieder feststellbar sind, lösen zu können. Wie wird in einer bestimm -ten Situation wem was genau ermöglicht ? Eine solche Frage in Bezug auf konkrete Grenzpraktiken ist unseres Erachtens für die Einschätzung von Politiken und die Entwicklung alternativer Möglichkeiten gleichermaßen produktiv Œ entsprechend dem Motto : »Grenzbearbeitung ist anstrengend, macht aber viel Spaß !«Literatur Baumann, Zygmunt (1999) Unbehagen in der Postmoderne. Hamburg Beck, Ulrich (2008) Die Neuvermessung der Ungleichheit unter den Menschen. Soziologische Alärung im 21. Jahrhundert. Erö˙nungsvortrag zum Soziologentag łUnsichere Zeiten‰ am 6. Oktober 2008 in Jena. Frankfurt a. M. Beck, Ulrich/ Lau, Christoph (2004) Entgrenzung und Entscheidung : Was ist neu an der ˚eorie reˆexiver Modernisierung. Frankfurt a. M.Benard, Cheryl (1981) Die geschlossene Gesellscha˛ und ihre Rebellen. Die internationale Frauenbewegung und die Schwarze Bewegung in den USA. Frankfurt a. M.Bührmann, Andrea (1995) Das authentische Geschlecht. Die Sexualitätsdebatte der Neuen Frauenbewegung und die Foucaultsche Machtanalyse. Münster Degele, Nina/ Winkler, Gabriele (2008) Praxeologisch di˙erenzieren. Ein Beitrag zur intersektionalen Gesellscha˛sanalyse ; in : Klinger, Cornelia/ Axeli-Knapp, Gudrun (Hg.) ÜberKreuzungen : Fremdheit, Ungleichheit, Di˙erenz. Münster, 194-209 Flax, Jane (1990) ˚inking fragments. Psychoanalysis, Feminism and Postmodernism in the Contemporary West. Berkeley et al. Foucault, Michel (1977) Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1. Frankfurt a. M.Ipsen, Detlev (2006) Ort und Landscha˛. Wiesbaden Gertenbach, Lars (2008) Die Kultivierung des Marktes : Foucault und die Gouvernementalität des Neoliberalismus. Berlin Heeg, Susanne/ Röttger, Bernd/ Wissen, Markus (Hg.) (2007) Politics of Scale : Räume der Globalisierung und Perspektiven emanzipatorischer Politik. Münster Jurczyk, Karin/ Schier, Michaela/ Szymenderski, Peggy/ Lange, Andreas/ Voß, Günter G. (2009) Entgrenzung von Arbeit Œ Entgrenzung von Familie. Grenzmanagement im Alltag als neue Herausforderung. Berlin Kessl, Fabian (2009a) Soziale Arbeit als Grenzbearbeiterin. Einige grenzanalytische Vergewisse -rungen ; in : Neumann, Sascha/ Sandermann, Philipp (Hg.) (2009) Die kulturellen Bedin -gungen der Bildung und die Bildungsbedingungen der Kultur. Wiesbaden, 43-61 Kessl, Fabian (2009b) Marked Silence, Neo-Feudalistic Reactions and the Stabilized Moral Regime Œ the Current De- and Reformation of łthe Social‰ ; in : Social Work & Society, Volume 7, Issue 1 (2009). Online unter : http ://www.socwork.net/2009/1/essays/fabiankessl/Essay_FabianKessl.pd f [25. Juli 2009] Kessl, Fabian/ Maurer, Susanne (2005) Soziale Arbeit ; in : Kessl, Fabian/ Reutlinger, Christian/ Maurer, Susanne/ Frey, Oliver (Hg.) Handbuch Sozialraum. Wiesbaden, 111-128 Kessl, Fabian/ Maurer, Susanne (2009/ i. E.) Praktiken der Di˙erenzierung als Praktiken der Grenzbearbeitung. Überlegungen zur grenzanalytischen Bestimmung Sozialer Arbeit ;
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www.kurswechsel.at Kurswechsel 3 / 2009 : 91Œ100100 F. Kessl, S. Maurer : Kritische Soziale Arbeit als łGrenzbearbeitung‰ in : Kessl, Fabian/ Plößer, Melanie (Hg.) Di˙erenzierung Œ Normalisierung Œ Andersheit. Soziale Arbeit als Arbeit mit den Anderen. Wiesbaden Kessl, Fabian/ Otto, Hans-Uwe (Hg.) (2008) Soziale Arbeit ohne Wohlfahrtsstaat ? Zeitdiagnosen, Problematisierungen und Perspektive. Weinheim ; München Lenz, Karl/ Schefold, Werner/ Schröer, Wolfgang (2004) Entgrenzte Lebensbewältigung. Jugend-Geschlecht-Jugendhilfe. Weinheim ; München Maurer, Susanne (2006) Gouvernementalität łvon unten her‰ denken Œ Soziale Arbeit und soziale Bewegungen als (kollektive) Akteure łbeweglicher Ordnungen‰ ; in : Weber, Susanne Maria/ Maurer, Susanne (Hg.) Gouvernementalität und Erziehungswissenscha˛. Wissen Œ Macht Œ Transformation. Wiesbaden, 233-252 Sarasin, Philipp (2003) Geschichtswissenscha˛ und Diskursanalyse. Frankfurt a. M.Schröder, Jörg (2008) Der ˆexible Mensch und sein Leib. Dissertation, Philipps-Universität Marburg Sennett, Richard (2002) Respekt im Zeitalter der Ungleichheit. Berlin Werlen, Benno (1997) Sozialgeographie alltäglicher Regionalisierungen. Bände 1 und 2. Stuttgart Widersprüche (2006) Was ist heute kritische Soziale Arbeit ? 26. Jg., He˛ 100 Anmerkungen 1 Mit dem vorliegenden Beitrag schließen wir an einzelne Vorarbeiten zur theorie-systema -tischen Bestimmung Sozialer Arbeit als Grenzbearbeitung an (Kessl/Maurer 2005 ; Kessl/ Maurer 2009/ i. E. ; Kessl 2009a). 2 Mit łOrdnungen‰ meinen wir hier : relativ stabile Anordnungen, Ausprägungen oder Strukturierungen in den gesellscha˛lichen Krä˛everhältnissen, die sich sowohl auf der Makro-Ebene der Gesellscha˛ als Ganzes, auf einer Meso-Ebene bestimmter gesellscha˛ -licher Bereiche wie auch auf der Mikro-Ebene zwischenmenschlicher Angelegenheiten (bis hinein in die Selbst-Verhältnisse der Individuen) ˝nden. Œ Die Begri˙e łMikro‰, łMeso‰ und łMakro‰ werden hier lediglich als Hinweise auf die unterschiedliche Größenordnung oder Reichweite der łordnenden Gestalt‰ genutzt, auf deren unterschiedlichen Grad an Konkretion oder Abstraktion, und nicht als systematische soziologische Begri˙e. 3 Beck spielt mit seinem »erneut« hier vermutlich auf die historische Phase der Etablierung der national- und darauf auenden wohlfahrtsstaatlichen Arrangements seit dem 17. Jahrhundert, zumindest im mitteleuropäischen und nordamerikanischen Kontext, an. 4 Gemäß des Jenaer Kongressthemas konzentriert sich Beck in seinem Vortrag auf den Aspekt der »Neuvermessung der Ungleichheit« Œ so der Titel seines Vortrags. Sein Anspruch geht aber weit darüber hinaus, wie der Untertitel des Vortrags deutlich markiert : Soziologische Auˇlärung im 21. Jahrhundert .5 »So lassen sich etwa nach Einebnung der Di˙erenz eines łerweiterten Arbeitsbegri˙s‰ alle möglichen Handlungsformen unter dem Begri˙ der Arbeit fassen« und »eine erstaunliche Bandbreite von Beziehungsformen unter der Kategorie łFamilie‰ [–] thematisieren« (Beck 2008, 38). 6 Benard nimmt hier Überlegungen vorweg, die erst Jahre später, mit den Diskussionen um die Texte von Judith Butler, eine breitere Ö˙entlichkeit im deutschsprachigen Raum errei -chen konnten. 7 Das ließe sich historisch besonders gut an Arbeiterbewegung und Frauenbewegung zeigen (vgl. Maurer 2006). 8 Soziale Bewegungen werden historisch und aktuell zur Herausforderung staatlicher Sozial -politik, wirken als innovative Kra˛ in Bezug auf soziale Probleme, werden bspw. zu Trägern von Selbsthilfe (-Organisationen) und Hilfe (-Maßnahmen).
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